Dienstag, 2. März 2010

Konkrete Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung nicht verfassungsgemäß

Ein (Teil-) Sieg wurde erzielt.  Wie wird das neue Gesetz aussehen ?

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Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -


Pressemitteilung Nr. 11/2010 vom 2. März 2010

Urteil vom 2. März 2010

– 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 –

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Konkrete Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung nicht verfassungsgemäß

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Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen §§ 113a, 113b TKG und

gegen § 100g StPO, soweit dieser die Erhebung von nach § 113a TKG

gespeicherten Daten zulässt. Eingeführt wurden die Vorschriften durch

das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vom 21.

Dezember 2007.



§ 113a TKG regelt, dass öffentlich zugängliche

Telekommunikationsdiensteanbieter verpflichtet sind, praktisch sämtliche

Verkehrsdaten von Telefondiensten (Festnetz, Mobilfunk, Fax, SMS, MMS),

E Mail Diensten und Internetdiensten vorsorglich anlasslos zu speichern.

Die Speicherungspflicht erstreckt sich im Wesentlichen auf alle Angaben,

die erforderlich sind, um zu rekonstruieren, wer wann wie lange mit wem

von wo aus kommuniziert hat oder zu kommunizieren versucht hat. Nicht zu

speichern ist demgegenüber der Inhalt der Kommunikation, und damit auch,

welche Internetseiten von den Nutzern aufgerufen werden. Nach Ablauf der

Speicherungspflicht von sechs Monaten sind die Daten innerhalb eines

Monats zu löschen.



§ 113b TKG regelt die möglichen Zwecke, für die diese Daten verwendet

werden dürfen. Die Vorschrift versteht sich dabei als Scharniernorm: Sie

enthält selbst keine Ermächtigung zur Datenabfrage, sondern bezeichnet

nur grobmaschig allgemein mögliche Nutzungszwecke, die durch

fachrechtliche Regelungen des Bundes und der Länder konkretisiert werden

sollen. In Satz 1 Halbsatz 1 werden dabei die möglichen Zwecke der

unmittelbaren Nutzung der Daten aufgelistet: Die Verfolgung von

Straftaten, die Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche

Sicherheit und die Erfüllung von nachrichtendienstlichen Aufgaben.

Halbsatz 2 erlaubt darüber hinaus die mittelbare Nutzung der Daten für

Auskünfte nach § 113 Abs. 1 TKG in Form eines Auskunftsanspruchs

gegenüber den Diensteanbietern zur Identifizierung von IP Adressen.

Behörden können danach, wenn sie etwa durch Anzeige oder durch eigene

Ermittlungen eine IP Adresse schon kennen, Auskunft verlangen, welchem

Anschlussnehmer diese Adresse zugeordnet war. Der Gesetzgeber erlaubt

dies unabhängig von näher begrenzenden Maßgaben zur Verfolgung von

Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sowie zur Gefahrenabwehr; ein

Richtervorbehalt ist insoweit ebenso wenig vorgesehen wie

Benachrichtigungspflichten.



§ 100g StPO regelt - in Konkretisierung des § 113b Satz 1 Halbsatz 1

Nr. 1 TKG - die unmittelbare Verwendung der vorsorglich gespeicherten

Daten für die Strafverfolgung. Insgesamt betrachtet ist die Vorschrift

dabei weiter und regelt den Zugriff auf Telekommunikationsverkehrsdaten

überhaupt. Sie erlaubt also auch und ursprünglich nur den Zugriff auf

Verbindungsdaten, die aus anderen Gründen (etwa zur Geschäftsabwicklung)

bei den Diensteanbietern gespeichert sind. Der Gesetzgeber hat sich

entschieden, insoweit nicht zwischen der Nutzung der nach § 113a TKG

vorsorglich gespeicherten Daten und anderer Verkehrsdaten zu

unterscheiden. Er erlaubt die Nutzung auch der Vorratsdaten unabhängig

von einem abschließenden Straftatenkatalog für die Verfolgung von

Straftaten mit erheblicher Bedeutung sowie darüber hinaus nach Maßgabe

einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung auch allgemein zur

Verfolgung von Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen

wurden. Erforderlich ist eine vorherige richterliche Entscheidung; auch

kennt die Strafprozessordnung insoweit Benachrichtigungspflichten und

nachträglichen Rechtsschutz.



Die angegriffenen Vorschriften verstehen sich als Umsetzung der

Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die

Vorratsdatenspeicherung aus dem Jahre 2006. Nach dieser Richtlinie sind

Anbieter von Telekommunikationsdiensten dazu zu verpflichten, die in §

113a TKG erfassten Daten für mindestens sechs Monate und höchstens zwei

Jahre zu speichern und für die Verfolgung von schweren Straftaten

bereitzuhalten. Keine näheren Regelungen enthält die Richtlinie zur

Verwendung der Daten; auch die Maßnahmen zum Datenschutz werden im

Wesentlichen den Mitgliedstaaten überlassen.



Aufgrund der einstweiligen Anordnungen des Ersten Senats des

Bundesverfassungsgerichts (Pressemitteilungen Nr. 37/2008 vom 19. März

2008 und Nr. 92/2008 vom 6. November 2008) durften die nach § 113a TKG

gespeicherten Daten zu Strafverfolgungszwecken nach § 113b Satz 1 Nr. 1

TKG zunächst nur gemäß den in der einstweiligen Anordnung vorgesehenen

Maßgaben und die nach § 113a TKG auf Vorrat gespeicherten Daten für die

Gefahrenabwehr (§ 113b Satz 1 Nr. 2 TKG) von den

Telekommunikationsdiensteanbietern nur unter einschränkenden Bedingungen

an die ersuchende Behörde übermittelt werden.



Die Beschwerdeführer sehen durch die Vorratsdatenspeicherung vor allem

das Telekommunikationsgeheimnis und das Recht auf informationelle

Selbstbestimmung verletzt. Sie halten die anlasslose Speicherung aller

Telekommunikationsverbindungen für unverhältnismäßig. Insbesondere

machen sie geltend, dass sich aus den gespeicherten Daten

Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellen ließen. Eine

Beschwerdeführerin, die einen Internetanonymisierungsdienst anbietet,

rügt, die mit der Speicherung verbundenen Kosten beeinträchtigten die

Anbieter von Telekommunikationsdiensten unverhältnismäßig in ihrer

Berufsfreiheit.



Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die

Regelungen des TKG und der StPO über die Vorratsdatenspeicherung mit

Art. 10 Abs. 1 GG nicht vereinbar sind. Zwar ist eine

Speicherungspflicht in dem vorgesehenen Umfang nicht von vornherein

schlechthin verfassungswidrig. Es fehlt aber an einer dem

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechenden Ausgestaltung. Die

angegriffenen Vorschriften gewährleisten weder eine hinreichende

Datensicherheit, noch eine hinreichende Begrenzung der Verwendungszwecke

der Daten. Auch genügen sie nicht in jeder Hinsicht den

verfassungsrechtlichen Transparenz und Rechtsschutzanforderungen. Die

Regelung ist damit insgesamt verfassungswidrig und nichtig.



Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:



Zur Zulässigkeit:



Die Verfassungsbeschwerden sind nicht unzulässig, soweit die

angegriffenen Vorschriften in Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG

ergangen sind. Die Beschwerdeführer erstreben, ohne dass sie dies

angesichts ihrer unmittelbar gegen das Umsetzungsgesetz gerichteten

Verfassungsbeschwerden vor den Fachgerichten geltend machen konnten,

eine Vorlage durch das Bundesverfassungsgericht an den Europäischen

Gerichtshof, damit dieser im Wege der Vorabentscheidung nach Art. 267

AEUV (vormals Art. 234 EGV) die Richtlinie für nichtig erkläre und so

den Weg frei mache für eine Überprüfung der angegriffenen Vorschriften

am Maßstab der deutschen Grundrechte. Jedenfalls auf diesem Weg ist eine

Prüfung der angegriffenen Vorschriften am Maßstab der Grundrechte des

Grundgesetzes nach dem Begehren der Beschwerdeführer nicht von

vornherein ausgeschlossen.



Zur Begründetheit:



1. Kein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof



Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof kommt nicht in Betracht, da

es auf einen möglichen Vorrang des Gemeinschaftsrechts nicht ankommt.

Die Wirksamkeit der Richtlinie 2006/24/EG und ein sich hieraus

möglicherweise ergebender Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor deutschen

Grundrechten sind nicht entscheidungserheblich. Der Inhalt der

Richtlinie belässt der Bundesrepublik Deutschland einen weiten

Entscheidungsspielraum. Ihre Regelungen sind im Wesentlichen auf die

Speicherungspflicht und deren Umfang beschränkt und regeln nicht den

Zugang zu den Daten oder deren Verwendung durch die Behörden der

Mitgliedstaaten. Mit diesem Inhalt kann die Richtlinie ohne Verstoß

gegen die Grundrechte des Grundgesetzes umgesetzt werden. Das

Grundgesetz verbietet eine solche Speicherung nicht unter allen

Umständen.



2. Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG



Die angegriffenen Vorschriften greifen auch soweit es um die Speicherung

der Internetzugangsdaten und um die Ermächtigung zu Auskünften nach §

113b Satz 1 Halbsatz 2 TKG geht in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1

GG (Telekommunikationsgeheimnis) ein. Dass die Speicherung durch private

Diensteanbieter erfolgt, steht dem nicht entgegen, da diese allein als

Hilfspersonen für die Aufgabenerfüllung durch staatliche Behörden in

Anspruch genommen werden.



3. Möglichkeit einer anlasslosen Speicherung von

Telekommunikationsverkehrsdaten



Eine sechsmonatige anlasslose Speicherung von

Telekommunikationsverkehrsdaten für qualifizierte Verwendungen im Rahmen

der Strafverfolgung, der Gefahrenabwehr und der Aufgaben der

Nachrichtendienste, wie sie die §§ 113a, 113b TKG anordnen, ist mit Art.

10 GG nicht schlechthin unvereinbar. Bei einer Ausgestaltung, die dem

besonderen Gewicht des hierin liegenden Eingriffs hinreichend Rechnung

trägt, unterfällt eine anlasslose Speicherung der

Telekommunikationsverkehrsdaten nicht schon als solche dem strikten

Verbot einer Speicherung von Daten auf Vorrat im Sinne der

Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Eingebunden in eine dem

Eingriff adäquate gesetzliche Ausgestaltung kann sie den

Verhältnismäßigkeitsanforderungen genügen.



Allerdings handelt es sich bei einer solchen Speicherung um einen

besonders schweren Eingriff mit einer Streubreite, wie sie die

Rechtsordnung bisher nicht kennt. Auch wenn sich die Speicherung nicht

auf die Kommunikationsinhalte erstreckt, lassen sich aus diesen Daten

bis in die Intimsphäre hineinreichende inhaltliche Rückschlüsse ziehen.

Adressaten, Daten, Uhrzeit und Ort von Telefongesprächen erlauben, wenn

sie über einen längeren Zeitraum beobachtet werden, in ihrer Kombination

detaillierte Aussagen zu gesellschaftlichen oder politischen

Zugehörigkeiten sowie persönlichen Vorlieben, Neigungen und Schwächen.

Je nach Nutzung der Telekommunikation kann eine solche Speicherung die

Erstellung aussagekräftiger Persönlichkeits und Bewegungsprofile

praktisch jeden Bürgers ermöglichen. Auch steigt das Risiko von Bürgern,

weiteren Ermittlungen ausgesetzt zu werden, ohne selbst hierzu Anlass

gegeben zu haben. Darüber hinaus verschärfen die

Missbrauchsmöglichkeiten, die mit einer solchen Datensammlung verbunden

sind, deren belastende Wirkung. Zumal die Speicherung und

Datenverwendung nicht bemerkt werden, ist die anlasslose Speicherung von

Telekommunikationsverkehrsdaten geeignet, ein diffus bedrohliches Gefühl

des Beobachtetseins hervorzurufen, das eine unbefangene Wahrnehmung der

Grundrechte in vielen Bereichen beeinträchtigen kann.



Dennoch kann eine solche Speicherung unter bestimmten Maßgaben mit Art.

10 Abs. 1 GG vereinbar sein. Maßgeblich dafür ist zunächst, dass die

vorgesehene Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten nicht direkt

durch den Staat, sondern durch eine Verpflichtung der privaten

Diensteanbieter verwirklicht wird. Die Daten werden damit bei der

Speicherung selbst noch nicht zusammengeführt, sondern bleiben verteilt

auf viele Einzelunternehmen und stehen dem Staat unmittelbar als

Gesamtheit nicht zur Verfügung. Eine Speicherung der

Telekommunikationsverkehrsdaten für sechs Monate stellt sich auch nicht

als eine Maßnahme dar, die auf eine Totalerfassung der Kommunikation

oder Aktivitäten der Bürger insgesamt angelegt wäre. Sie knüpft vielmehr

in noch begrenzt bleibender Weise an die besondere Bedeutung der

Telekommunikation in der modernen Welt an und reagiert auf das

spezifische Gefahrenpotential, das sich mit dieser verbindet. Eine

Rekonstruktion gerade der Telekommunikationsverbindungen ist daher für

eine effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr von besonderer

Bedeutung.



Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit einer vorsorglich anlasslosen

Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten setzt voraus, dass diese

eine Ausnahme bleibt. Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht

total erfasst und registriert werden darf, gehört zur

verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland, für

deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und

internationalen Zusammenhängen einsetzen muss. Durch eine vorsorgliche

Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten wird der Spielraum für

weitere anlasslose Datensammlungen auch über den Weg der Europäischen

Union erheblich geringer.



4. Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Ausgestaltung der Regelung

(Maßstäbe)



Angesichts des besonderen Gewichts einer vorsorglichen

Telekommunikationsverkehrsdatenspeicherung ist diese nur dann mit Art.

10 Abs. 1 GG vereinbar, wenn ihre Ausgestaltung besonderen

verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht. Es bedarf insoweit

hinreichend anspruchsvoller und normenklarer Regelungen zur

Datensicherheit, zur Begrenzung der Datenverwendung, zur Transparenz und

zum Rechtsschutz.



Anforderungen an die Datensicherheit:



Angesichts des Umfangs und der potentiellen Aussagekraft der mit einer

solchen Speicherung geschaffenen Datenbestände ist die Datensicherheit

für die Verhältnismäßigkeit der angegriffenen Vorschriften von großer

Bedeutung. Erforderlich sind gesetzliche Regelungen, die ein besonders

hohes Maß an Sicherheit jedenfalls dem Grunde nach normenklar und

verbindlich vorgeben. Dabei steht es dem Gesetzgeber frei, die

technische Konkretisierung des vorgegebenen Maßstabs einer

Aufsichtsbehörde anzuvertrauen. Der Gesetzgeber hat dabei jedoch

sicherzustellen, dass die Entscheidung über Art und Maß der zu

treffenden Schutzvorkehrungen nicht letztlich unkontrolliert in den

Händen der jeweiligen Telekommunikationsanbieter liegt.



Anforderungen an die unmittelbare Datenverwendung:



Angesichts des Gewichts der Datenspeicherung kommt eine Verwendung der

Daten nur für überragend wichtige Aufgaben des Rechtsgüterschutzes in

Betracht.



Für die Strafverfolgung folgt hieraus, dass ein Abruf der Daten

zumindest den durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht einer auch

im Einzelfall schwerwiegenden Straftat voraussetzt. Welche

Straftatbestände hiervon umfasst sein sollen, hat der Gesetzgeber

abschließend mit der Verpflichtung zur Datenspeicherung festzulegen.



Für die Gefahrenabwehr ergibt sich aus dem

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass ein Abruf der vorsorglich

gespeicherten Telekommunikationsverkehrsdaten nur bei Vorliegen einer

durch bestimmte Tatsachen hinreichend belegten, konkreten Gefahr für

Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die

Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder zur Abwehr einer gemeinen

Gefahr zugelassen werden darf. Diese Anforderungen gelten, da es auch

insoweit um eine Form der Gefahrenprävention geht, gleichermaßen für die

Verwendung der Daten durch die Nachrichtendienste. Eine Verwendung der

Daten von Seiten der Nachrichtendienste dürfte damit freilich in vielen

Fällen ausscheiden. Dies liegt jedoch in der Art ihrer Aufgaben als

Vorfeldaufklärung und begründet keinen verfassungsrechtlich hinnehmbaren

Anlass, die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden

Voraussetzungen für einen Eingriff der hier vorliegenden Art

abzumildern.



Verfassungsrechtlich geboten ist als Ausfluss des

Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überdies, zumindest für einen engen

Kreis von auf besondere Vertraulichkeit angewiesenen

Telekommunikationsverbindungen ein grundsätzliches Übermittlungsverbot

vorzusehen. Zu denken ist hier etwa an Verbindungen zu Anschlüssen von

Personen, Behörden und Organisationen in sozialen oder kirchlichen

Bereichen, die grundsätzlich anonym bleibenden Anrufern ganz oder

überwiegend telefonische Beratung in seelischen oder sozialen Notlagen

anbieten und die selbst oder deren Mitarbeiter insoweit anderen

Verschwiegenheitsverpflichtungen unterliegen.



Anforderungen an die Transparenz der Datenübermittlung:



Der Gesetzgeber muss die diffuse Bedrohlichkeit, die die als solche

nicht spürbare Datenspeicherung und verwendung für die Bürger erhalten

können, durch wirksame Transparenzregeln auffangen. Hierzu zählt der

Grundsatz der Offenheit der Erhebung und Nutzung von personenbezogenen

Daten. Eine Verwendung der Daten ohne Wissen des Betroffenen ist

verfassungsrechtlich nur dann zulässig, wenn andernfalls der Zweck der

Untersuchung, dem der Datenabruf dient, vereitelt wird. Für die

Gefahrenabwehr und die Wahrnehmung der Aufgaben der Nachrichtendienste

darf der Gesetzgeber dies grundsätzlich annehmen. Demgegenüber kommt im

Rahmen der Strafverfolgung auch eine offene Erhebung und Nutzung der

Daten in Betracht. Eine heimliche Verwendung der Daten darf hier nur

vorgesehen werden, wenn sie im Einzelfall erforderlich und richterlich

angeordnet ist. Soweit die Verwendung der Daten heimlich erfolgt, hat

der Gesetzgeber die Pflicht einer zumindest nachträglichen

Benachrichtigung vorzusehen. Diese muss gewährleisten, dass diejenigen,

auf die sich eine Datenabfrage unmittelbar bezogen hat, wenigstens im

Nachhinein grundsätzlich in Kenntnis zu setzen sind. Ausnahmen hiervon

bedürfen der richterlichen Kontrolle.



Anforderungen an den Rechtsschutz und an Sanktionen:



Eine Übermittlung und Nutzung der gespeicherten Daten ist grundsätzlich

unter Richtervorbehalt zu stellen. Sofern ein Betroffener vor

Durchführung der Maßnahme keine Gelegenheit hatte, sich vor den

Gerichten gegen die Verwendung seiner Telekommunikationsverkehrsdaten

zur Wehr zu setzen, ist ihm eine gerichtliche Kontrolle nachträglich zu

eröffnen.



Eine verhältnismäßige Ausgestaltung setzt weiterhin wirksame Sanktionen

bei Rechtsverletzungen voraus. Würden auch schwere Verletzungen des

Telekommunikationsgeheimnisses im Ergebnis sanktionslos bleiben mit der

Folge, dass der Schutz des Persönlichkeitsrechts angesichts der

immateriellen Natur dieses Rechts verkümmern würde, widerspräche dies

der Verpflichtung der staatlichen Gewalt, dem Einzelnen die Entfaltung

seiner Persönlichkeit zu ermöglichen und ihn vor

Persönlichkeitsrechtsgefährdungen durch Dritte zu schützen. Der

Gesetzgeber hat diesbezüglich allerdings einen weiten

Gestaltungsspielraum. Insoweit darf er auch berücksichtigen, dass bei

schweren Verletzungen des Persönlichkeitsrechts bereits nach geltender

Rechtslage sowohl Verwertungsverbote auf der Grundlage einer Abwägung

als auch eine Haftung für immaterielle Schäden begründet sein können,

und somit zunächst beobachten, ob der besonderen Schwere der

Persönlichkeitsverletzung, die in der unberechtigten Erlangung oder

Verwendung der hier in Frage stehenden Daten regelmäßig liegt,

möglicherweise schon auf der Grundlage des geltenden Rechts hinreichend

Rechnung getragen wird.



Anforderungen an die mittelbare Nutzung der Daten zur Identifizierung

von IP-Adressen:



Weniger strenge verfassungsrechtliche Maßgaben gelten für eine nur

mittelbare Verwendung der vorsorglich gespeicherten Daten in Form von

behördlichen Auskunftsansprüchen gegenüber den Diensteanbietern

hinsichtlich der Anschlussinhaber bestimmter, bereits bekannter IP

Adressen. Von Bedeutung ist hierfür zum einen, dass dabei die Behörden

selbst keine Kenntnis der vorsorglich zu speichernden Daten erhalten.

Die Behörden rufen im Rahmen solcher Auskunftsansprüche nicht die

vorsorglich anlasslos gespeicherten Daten selbst ab, sondern erhalten

lediglich personenbezogene Auskünfte über den Inhaber eines bestimmten

Anschlusses, der von den Diensteanbietern unter Rückgriff auf diese

Daten ermittelt wurde. Systematische Ausforschungen über einen längeren

Zeitraum oder die Erstellung von Persönlichkeits und Bewegungsprofilen

lassen sich allein auf Grundlage solcher Auskünfte nicht verwirklichen.

Maßgeblich ist zum anderen, dass für solche Auskünfte nur ein von

vornherein feststehender kleiner Ausschnitt der Daten verwendet wird,

deren Speicherung für sich genommen geringeres Eingriffsgewicht hat und

damit unter deutlich geringeren Voraussetzungen angeordnet werden

könnte.



Allerdings hat auch die Begründung von behördlichen Auskunftsansprüchen

zur Identifizierung von IP Adressen erhebliches Gewicht. Mit ihr wirkt

der Gesetzgeber auf die Kommunikationsbedingungen im Internet ein und

begrenzt den Umfang ihrer Anonymität. Auf ihrer Grundlage kann in

Verbindung mit der systematischen Speicherung der Internetzugangsdaten

hinsichtlich zuvor ermittelter IP Adressen die Identität von

Internetnutzern in weitem Umfang ermittelt werden.



Innerhalb des ihm dabei zustehenden Gestaltungsspielraums darf der

Gesetzgeber solche Auskünfte auch unabhängig von begrenzenden Straftaten

oder Rechtsgüterkatalogen für die Verfolgung von Straftaten, für die

Gefahrenabwehr und die Aufgabenwahrnehmung der Nachrichtendienste auf

der Grundlage der allgemeinen fachrechtlichen Eingriffsermächtigungen

zulassen. Hinsichtlich der Eingriffsschwellen ist allerdings

sicherzustellen, dass eine Auskunft nicht ins Blaue hinein eingeholt

wird, sondern nur aufgrund eines hinreichenden Anfangsverdachts oder

einer konkreten Gefahr auf einzelfallbezogener Tatsachenbasis erfolgen

darf. Ein Richtervorbehalt muss für solche Auskünfte nicht vorgesehen

werden; die Betreffenden müssen von der Einholung einer solchen Auskunft

aber benachrichtigt werden. Auch können solche Auskünfte nicht allgemein

und uneingeschränkt zur Verfolgung oder Verhinderung jedweder

Ordnungswidrigkeiten zugelassen werden. Die Aufhebung der Anonymität im

Internet bedarf zumindest einer Rechtsgutbeeinträchtigung, der von der

Rechtsordnung auch sonst ein hervorgehobenes Gewicht beigemessen wird.

Dies schließt entsprechende Auskünfte zur Verfolgung oder Verhinderung

von Ordnungswidrigkeiten nicht vollständig aus. Es muss sich insoweit

aber um auch im Einzelfall besonders gewichtige Ordnungswidrigkeiten

handeln, die der Gesetzgeber ausdrücklich benennen muss.



Verantwortlichkeit für die Ausgestaltung der Regelungen:



Die verfassungsrechtlich gebotene Gewährleistung der Datensicherheit

sowie einer den Verhältnismäßigkeitsanforderungen genügenden

normenklaren Begrenzung der Datenverwendung ist ein untrennbarer

Bestandteil der Anordnung der Speicherungsverpflichtung und obliegt

deshalb gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG dem Bundesgesetzgeber. Hierzu

gehören neben den Regelungen zur Sicherheit der gespeicherten Daten auch

die Regelungen zur Sicherheit der Übermittlung der Daten sowie hierbei

die Gewährleistung des Schutzes der Vertrauensbeziehungen. Dem Bund

obliegt darüber hinaus auch die Sicherstellung einer den

verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechenden, hinreichend

präzisen Begrenzung der Verwendungszwecke der Daten, die mit der

Speicherung verfolgt werden. Demgegenüber richtet sich die Verantwortung

für die Schaffung der Abrufregelungen selbst sowie für die Ausgestaltung

der Transparenz und Rechtsschutzbestimmungen nach den jeweiligen

Sachkompetenzen. Im Bereich der Gefahrenabwehr und der Aufgaben der

Nachrichtendienste liegt die Zuständigkeit damit weithin bei den

Ländern.



5. Zu den Bestimmungen im Einzelnen (Anwendung der Maßstäbe)



Die angegriffenen Vorschriften genügen diesen Anforderungen nicht. Zwar

ist § 113a TKG nicht schon deshalb verfassungswidrig, weil die

Reichweite der Speicherungspflicht von vornherein unverhältnismäßig

wäre. Jedoch entsprechen die Regelungen zur Datensicherheit, zu den

Zwecken und zur Transparenz der Datenverwendung sowie zum Rechtsschutz

nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Damit fehlt es an einer

dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechenden Ausgestaltung der

Regelung insgesamt. §§ 113a, 113b TKG und § 100g StPO, soweit dieser den

Abruf der nach § 113a TKG zu speichernden Daten erlaubt, sind deshalb

mit Art. 10 Abs. 1 GG nicht vereinbar.



Datensicherheit:



Es fehlt schon an der gebotenen Gewährleistung eines besonders hohen

Standards hinsichtlich der Datensicherheit. Das Gesetz verweist im

Wesentlichen nur auf die im Bereich der Telekommunikation allgemein

erforderliche Sorgfalt (§ 113a Abs. 10 TKG) und relativiert dabei die

Sicherheitsanforderungen in unbestimmt bleibender Weise um allgemeine

Wirtschaftlichkeitserwägungen im Einzelfall (§ 109 Abs. 2 Satz 4 TKG).

Dabei bleibt die nähere Konkretisierung der Maßnahmen den einzelnen

Telekommunikationsdienstleistern überlassen, die ihrerseits die Dienste

unter den Bedingungen von Konkurrenz und Kostendruck anbieten müssen.

Den Speicherungspflichtigen sind insoweit weder die von den

Sachverständigen im vorliegenden Verfahren nahegelegten Instrumente zur

Gewährleistung der Datensicherheit (getrennte Speicherung, asymmetrische

Verschlüsselung, Vier-Augen-Prinzip verbunden mit fortschrittlichen

Verfahren zur Authentifizierung für den Zugang zu den Schlüsseln,

revisionssichere Protokollierung von Zugriff und Löschung) durchsetzbar

vorgegeben, noch ist ein vergleichbares Sicherheitsniveau anderweitig

garantiert. Auch fehlt es an einem ausgeglichenen Sanktionensystem, das

Verstößen gegen die Datensicherheit kein geringeres Gewicht beimisst als

Verstößen gegen die Speicherungspflichten selbst.



Unmittelbare Verwendung der Daten zur Strafverfolgung:



Mit den aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entwickelten Maßstäben

unvereinbar sind auch die Regelungen zur Verwendung der Daten für die

Strafverfolgung. § 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO stellt nicht sicher,

dass allgemein und auch im Einzelfall nur schwerwiegende Straftaten

Anlass für eine Erhebung der entsprechenden Daten sein dürfen, sondern

lässt unabhängig von einem abschließenden Katalog generell Straftaten

von erheblicher Bedeutung genügen. Erst recht bleibt § 100g Abs. 1 Satz

1 Nr. 2, Satz 2 StPO hinter den verfassungsrechtlichen Maßgaben zurück,

indem er unabhängig von deren Schwere jede mittels Telekommunikation

begangene Straftat nach Maßgabe einer allgemeinen Abwägung im Rahmen

einer Verhältnismäßigkeitsprüfung als möglichen Auslöser einer

Datenabfrage ausreichen lässt. Mit dieser Regelung werden die nach §

113a TKG gespeicherten Daten praktisch in Bezug auf alle

Straftatbestände nutzbar. Ihre Verwendung verliert damit angesichts der

fortschreitenden Bedeutung der Telekommunikation im Lebensalltag ihren

Ausnahmecharakter. Der Gesetzgeber beschränkt sich hier nicht mehr auf

die Verwendung der Daten für die Verfolgung schwerer Straftaten, sondern

geht hierüber und damit auch über die europarechtlich vorgegebene

Zielsetzung der Datenspeicherung weit hinaus.



Nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht § 100g StPO

auch insoweit, als er einen Datenabruf nicht nur für richterlich zu

bestätigende Einzelfälle, sondern grundsätzlich auch ohne Wissen des

Betroffenen zulässt (§ 100g Abs. 1 Satz 1 StPO).



Demgegenüber sind die gerichtliche Kontrolle der Datenabfrage und

Datennutzung sowie die Regelung der Benachrichtigungspflichten im

Wesentlichen in einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen

entsprechenden Weise gewährleistet. Die Erhebung der nach § 113a TKG

gespeicherten Daten bedarf gemäß § 100g Abs. 2 Satz 1, § 100b Abs. 1

Satz 1 StPO der Anordnung durch den Richter. Des Weiteren bestehen gemäß

§ 101 StPO differenzierte Benachrichtigungspflichten sowie die

Möglichkeit, nachträglich eine gerichtliche Überprüfung der

Rechtmäßigkeit der Maßnahme herbeizuführen. Dass diese Vorschriften

einen effektiven Rechtsschutz insgesamt nicht gewährleisten, ist nicht

ersichtlich. Verfassungsrechtlich zu beanstanden ist hingegen das Fehlen

einer richterlichen Kontrolle für das Absehen von einer Benachrichtigung

gemäß § 101 Abs. 4 StPO. Unmittelbare Verwendung der Daten für die

Gefahrenabwehr und für die Aufgaben der Nachrichtendienste:



§ 113b Satz 1 Nr. 2 und 3 TKG genügt den Anforderungen an eine

hinreichende Begrenzung der Verwendungszwecke schon seiner Anlage nach

nicht. Der Bundesgesetzgeber begnügt sich hier damit, in lediglich

generalisierender Weise die Aufgabenfelder zu umreißen, für die ein

Datenabruf nach Maßgabe späterer Gesetzgebung, insbesondere auch der

Länder, möglich sein soll. Damit kommt er seiner Verantwortung für die

verfassungsrechtlich gebotene Begrenzung der Verwendungszwecke nicht

nach. Vielmehr schafft der Bundesgesetzgeber durch die Pflicht der

Diensteanbieter zur vorsorglichen Speicherung aller

Telekommunikationsverkehrsdaten, verbunden gleichzeitig mit der Freigabe

dieser Daten für die Verwendung durch die Polizei und die

Nachrichtendienste im Rahmen annähernd deren gesamter Aufgabenstellung,

ein für vielfältige und unbegrenzte Verwendungen offenen Datenpool, auf

den nur durch grobe Zielsetzungen beschränkt jeweils aufgrund eigener

Entscheidungen der Gesetzgeber in Bund und Ländern zugegriffen werden

kann. Die Bereitstellung eines solchen seiner Zwecksetzung nach offenen

Datenpools hebt den notwendigen Zusammenhang zwischen Speicherung und

Speicherungszweck auf und ist mit der Verfassung nicht vereinbar.



Die Ausgestaltung der Verwendung der nach § 113a TKG gespeicherten Daten

ist auch insoweit unverhältnismäßig, als für die Übermittlung keinerlei

Schutz von Vertrauensbeziehungen vorgesehen ist. Zumindest für einen

engen Kreis von auf besondere Vertraulichkeit angewiesenen

Telekommunikationsverbindungen ist ein solcher Schutz grundsätzlich

geboten.



Mittelbare Nutzung der Daten für Auskünfte der Diensteanbieter:



Nicht in jeder Hinsicht genügt auch § 113b Satz 1 Halbsatz 2 TKG den

verfassungsrechtlichen Anforderungen. Zwar begegnet es keinen Bedenken,

dass nach dieser Vorschrift Auskünfte unabhängig von einem Straftaten

oder Rechtsgüterkatalog zulässig sind. Nicht mit der Verfassung zu

vereinbaren ist demgegenüber, dass solche Auskünfte ohne weitere

Begrenzung auch allgemein für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten

ermöglicht werden. Auch fehlt es an Benachrichtigungspflichten im

Anschluss an solche Auskünfte.



6. Vereinbarkeit mit Art. 12 GG



Demgegenüber sind die angegriffenen Vorschriften hinsichtlich Art. 12

Abs. 1 GG, soweit in diesem Verfahren hierüber zu entscheiden ist,

keinen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Die Auferlegung der

Speicherungspflicht wirkt gegenüber den betroffenen Diensteanbietern

typischerweise nicht übermäßig belastend. Unverhältnismäßig ist die

Speicherungspflicht insbesondere nicht in Bezug auf die finanziellen

Lasten, die den Unternehmen durch die Speicherungspflicht nach § 113a

TKG und die hieran knüpfenden Folgeverpflichtungen wie die

Gewährleistung von Datensicherheit erwachsen. Der Gesetzgeber ist

innerhalb seines insoweit weiten Gestaltungsspielraums nicht darauf

beschränkt, Private nur dann in Dienst zu nehmen, wenn ihre berufliche

Tätigkeit unmittelbar Gefahren auslösen kann oder sie hinsichtlich

dieser Gefahren unmittelbar ein Verschulden trifft. Vielmehr reicht

insoweit eine hinreichende Sach und Verantwortungsnähe zwischen der

beruflichen Tätigkeit und der auferlegten Verpflichtung. Gegen die den

Speicherungspflichtigen erwachsenden Kostenlasten bestehen danach keine

grundsätzlichen Bedenken. Der Gesetzgeber verlagert auf diese Weise die

mit der Speicherung verbundenen Kosten entsprechend der Privatisierung

des Telekommunikationssektors insgesamt in den Markt. So wie die

Telekommunikationsunternehmen die neuen Chancen der

Telekommunikationstechnik zur Gewinnerzielung nutzen können, müssen sie

auch die Kosten für die Einhegung der neuen Sicherheitsrisiken, die mit

der Telekommunikation verbunden sind, übernehmen und in ihren Preisen

verarbeiten.



7. Nichtigkeit der angegriffenen Vorschriften



Der Verstoß gegen das Grundrecht auf Schutz des

Telekommunikationsgeheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 GG führt zur

Nichtigkeit der §§ 113a und 113b TKG sowie von § 100g Abs. 1 Satz 1

StPO, soweit danach Verkehrsdaten gemäß § 113a TKG erhoben werden

dürfen. Die angegriffenen Normen sind daher unter Feststellung der

Grundrechtsverletzung für nichtig zu erklären (vgl. § 95 Abs. 1 Satz 1

und § 95 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG).



Die Entscheidung ist hinsichtlich der europarechtlichen Fragen, der

formellen Verfassungsmäßigkeit und der grundsätzlichen Vereinbarkeit der

vorsorglichen Telekommunikationsverkehrsdatenspeicherung mit der

Verfassung im Ergebnis einstimmig ergangen. Hinsichtlich der Beurteilung

der §§ 113a und 113b TKG als verfassungswidrig ist sie im Ergebnis mit

7:1 Stimmen und hinsichtlich weiterer materiellrechtlicher Fragen,

soweit aus den Sondervoten ersichtlich, mit 6:2 Stimmen ergangen.



Dass die Vorschriften gemäß § 95 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG für nichtig und

nicht nur für unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären sind, hat der

Senat mit 4:4 Stimmen entschieden. Demzufolge können die Vorschriften

auch nicht in eingeschränktem Umfang übergangsweise weiter angewendet

werden, sondern verbleibt es bei der gesetzlichen Regelfolge der

Nichtigerklärung.



Sondervotum des Richters Schluckebier:



1. In der Speicherung der Verkehrsdaten für die Dauer von sechs Monaten

bei den Diensteanbietern liegt kein Eingriff in das Grundrecht aus Art.

10 Abs. 1 GG von solchem Gewicht, dass er als „besonders schwer“ und

damit gleichermaßen klassifiziert werden könnte wie ein unmittelbarer

Zugriff durch die öffentliche Gewalt auf Kommunikationsinhalte. Die

Verkehrsdaten verbleiben in der Sphäre der privaten Diensteanbieter, bei

denen sie aus betriebstechnischen Gründen anfallen und von denen der

einzelne Telekommunikationsteilnehmer aufgrund der vertraglichen Bindung

erwarten kann, dass diese sie in ihrer Sphäre strikt vertraulich

behandeln und schützen. Wird die nach dem Stand der Technik mögliche

Datensicherheit gewährleistet, so fehlt deshalb auch eine

objektivierbare Grundlage für die Annahme eines speicherungsbedingten

Einschüchterungseffekts beim Bürger. Die Speicherung erstreckt sich

nicht auf den Inhalt der Telekommunikation. Bei der Gewichtung des

Eingriffs muss deshalb eine wahrnehmbare Distanz zu solchen besonders

schweren Eingriffen gewahrt bleiben, wie sie bei der akustischen

Wohnraumüberwachung, der inhaltlichen Telekommunikationsüberwachung oder

der sogenannten Online-Durchsuchung informationstechnischer Systeme

durch unmittelbaren Zugriff staatlicher Organe vorliegen, und bei denen

in besonderem Maße das Risiko besteht, dass der absolut geschützte

Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen wird. Besonders

eingriffsintensiv ist danach nicht bereits die Speicherung der

Verkehrsdaten beim Diensteanbieter, sondern erst der Abruf und die

Nutzung der Verkehrsdaten durch staatliche Stellen im Einzelfall nach

den dafür bestehenden Rechtsgrundlagen; diese wie auch die richterliche

Anordnung der Verkehrsdatenerhebung unterliegen ihrerseits den strikten

Anforderungen der Verhältnismäßigkeit.



2. Die angegriffenen Regelungen sind im Grundsatz nicht unangemessen,

den Betroffenen zumutbar und damit verhältnismäßig im engeren Sinne. Der

Gesetzgeber hat sich mit der Pflicht zur Speicherung der

Telekommunikationsverkehrsdaten für die Dauer von sechs Monaten, einer

Verwendungszweckregelung und der strafprozessrechtlichen

Erhebungsregelung in dem ihm von Verfassungs wegen zukommenden

Gestaltungsrahmen gehalten. Die Schutzpflicht des Staates gegenüber

seinen Bürgern schließt die Aufgabe ein, geeignete Maßnahmen zu

ergreifen, um die Verletzung von Rechtsgütern zu verhindern oder sie

aufzuklären und die Verantwortung für Rechtsgutsverletzungen zuzuweisen.

In diesem Sinne zählt die Gewährleistung des Schutzes der Bürger und

ihrer Grundrechte sowie der Grundlagen des Gemeinwesens und die

Verhinderung wie die Aufklärung bedeutsamer Straftaten zugleich zu den

Voraussetzungen eines friedlichen Zusammenlebens und des unbeschwerten

Gebrauchs der Grundrechte durch den Bürger. Effektive Aufklärung von

Straftaten und wirksame Gefahrenabwehr sind daher nicht per se eine

Bedrohung für die Freiheit der Bürger.



In dem Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht des Staates zum

Rechtsgüterschutz und dem Interesse des Einzelnen an der Wahrung seiner

von der Verfassung verbürgten Rechte ist es zunächst Aufgabe des

Gesetzgebers, in abstrakter Weise einen Ausgleich der widerstreitenden

Interessen zu erreichen. Ihm kommt dabei ein Einschätzungs- und

Gestaltungsspielraum zu. Ziel des Gesetzgebers war es hier, den

unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen, rechtsstaatlichen

Strafrechtspflege angesichts einer grundlegenden Veränderung der

Kommunikationsmöglichkeiten und des Kommunikationsverhaltens der

Menschen in den letzten Jahren Rechnung zu tragen. Dieses Ziel setzt

grundsätzlich die Ermittelbarkeit der zur Aufklärung erforderlichen

Tatsachen voraus. Dabei ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass

gerade Telekommunikationsverkehrsdaten aufgrund der technischen

Entwicklung hin zu Flatrates oftmals entweder überhaupt nicht

gespeichert werden oder bereits wieder gelöscht sind, bevor eine

richterliche Anordnung zur Auskunftserteilung erwirkt werden kann oder

auch nur die für einen entsprechenden Antrag erforderlichen

Informationen ermittelt sind. Die Tatsache, dass elektronische oder

digitale Kommunikationsmittel in nahezu alle Lebensbereiche vorgedrungen

sind und deshalb in bestimmten Bereichen die Strafverfolgung und auch

die Gefahrenabwehr erschweren, berücksichtigt die Senatsmehrheit zwar

bei der Prüfung der Geeignetheit und Erforderlichkeit der

Verkehrsdatenspeicherung, gewichtet sie aber bei der

Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne unter dem Aspekt der

Angemessenheit und Zumutbarkeit nicht in dem gebotenen Maße.



Die Senatsmehrheit schränkt damit zugleich den Einschätzungs- und

Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, auf dem Felde der

Straftatenaufklärung und der Gefahrenabwehr zum Schutz der Menschen

angemessene und zumutbare Regelungen zu treffen, im praktischen Ergebnis

nahezu vollständig ein. Dadurch trägt sie auch dem Gebot

verfassungsrichterlicher Zurückhaltung („judicial self-restraint“)

gegenüber konzeptionellen Entscheidungen des demokratisch legitimierten

Gesetzgebers nicht hinreichend Rechnung. Das Urteil gibt eine

Speicherdauer von sechs Monaten also dem durch die EG-Richtlinie

geforderten Mindestmaß als an der Obergrenze liegend und

verfassungsrechtlich allenfalls rechtfertigungsfähig vor, schreibt dem

Gesetzgeber regelungstechnisch vor, dass die Verwendungszweckregelung

zugleich die Zugriffsvoraussetzungen enthalten muss, beschränkt ihn auf

eine Katalogtatentechnik im Strafrecht, schließt die Möglichkeit der

Nutzung der Verkehrsdaten auch zur Aufklärung von mittels

Telekommunikationsmitteln begangenen schwer aufklärbaren Straftaten aus

und erweitert die Benachrichtigungspflichten in bestimmter Art. Danach

bleibt dem Gesetzgeber kein nennenswerter Spielraum mehr für eine

Ausgestaltung in eigener politischer Verantwortung.



Der Senat verwehrt dem Gesetzgeber insbesondere die Abrufbarkeit der

nach § 113a TKG gespeicherten Verkehrsdaten für die Aufklärung von

Straftaten, die nicht im derzeitigen Katalog des § 100a Abs. 2 StPO

bezeichnet, aber im Einzelfall von erheblicher Bedeutung sind, sowie von

solchen Taten, die mittels Telekommunikation begangen sind (§ 100g Abs.

1 Satz 1 Nr. 1 und 2 StPO). Hinsichtlich der letztgenannten Taten wird

nicht genügend gewichtet, dass der Gesetzgeber hier von erheblichen

Aufklärungsschwierigkeiten ausgeht. Da es Sache des Gesetzgebers ist,

eine wirksame Strafverfolgung zu gewährleisten und keine beträchtlichen

Schutzlücken entstehen zu lassen, kann es ihm nicht versagt sein, auch

bei Straftaten, die zwar nicht besonders schwer sind, aber Rechtsgüter

von Gewicht schädigen den Zugriff auf die Verkehrsdaten zu eröffnen,

weil nach seiner Einschätzung nur so das Entstehen faktisch weitgehend

rechtsfreier Räume und ein weitgehendes Leerlaufen der Aufklärung

ausgeschlossen werden kann. Hinzu kommt, dass sich der Gesetzgeber bei

der Gestaltung der strafprozessualen Zugriffsbefugnis an Kriterien

orientiert hat, die der Senat in seinem Urteil vom 12. März 2003

(BVerfGE 107, 299 <322>) zur Herausgabe von Verbindungsdaten der

Telekommunikation gebilligt hat.



3. Im Rechtsfolgenausspruch hätte es auch auf der Grundlage der

verfassungsrechtlichen Würdigung der Senatsmehrheit unter Rückgriff auf

eine ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nahe gelegen,

dem Gesetzgeber eine Frist für eine Neuregelung zu setzen und die

bestehenden Vorschriften in Anlehnung an die Maßgaben der vom Senat

erlassenen einstweiligen Anordnungen für vorübergehend weiter anwendbar

zu erklären, um nachhaltige Defizite insbesondere bei der Aufklärung von

Straftaten, aber auch bei der Gefahrenabwehr zu vermeiden.



Sondervotum Richter Eichberger:



Das Sondervotum schließt sich der Kritik des Richters Schluckebier an

der Beurteilung der Eingriffsintensität der Speicherung der

Telekommunikationsverkehrsdaten als Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG im

Wesentlichen an. Die den §§ 113a, 113b TKG zugrunde liegende

gesetzgeberische Konzeption einer gestuften legislativen Verantwortung

für die Speicherungsanordnung auf der einen Seite und den Datenabruf auf

der anderen Seite steht im Grundsatz mit der Verfassung in Einklang.

Dies gilt insbesondere für die in § 100g StPO geregelte Verwendung der

nach § 113a TKG gespeicherten Daten zu Zwecken der Strafverfolgung. Der

Gesetzgeber ist nicht gezwungen die Verhältnismäßigkeit der

Abrufregelung ausschließlich an dem größtmöglichen Eingriff eines

umfassenden, letztlich auf ein Bewegungs- oder Sozialprofil des

betroffenen Bürgers abzielenden Datenabrufs zu messen, sondern darf

berücksichtigen, dass eine Vielzahl von Datenabfragen weitaus geringeres

Gewicht haben, über deren Zumutbarkeit im Einzelfall der hierzu berufene

Richter zu entscheiden hat.


Quelle: http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg10-011.html