Mittwoch, 26. Dezember 2007

Das Internet vergisst nichts

"Das Internet hat ein Elefantengedächtnis: Nebensächliche, kompromittierende oder längst veraltete Informationen werden uns von Google wie neu verkauft."

Anfang des Artikels Deine Daten währen ewig aus DIE ZEIT, 19.12.2007 Nr. 52

Dieser Artikel ist lesenswert für alle die etwas unter ihrem vollen Namen im Internet veröffentlicchen.


Sonntag, 23. Dezember 2007


Links zu freier Musik

127 Lieder ausgewählt vom Ficbot
Auf Jamendo veröffentlichen die Künstler ihre Musik unter den Creative Commons Lizenzen.
NEPPSTARs - FREIE MUSIK DOWNLOADS
The WIRED CD alle Stücke unter einer Creative Commons Lizenz
Uwe Hermann's Music Podcast
Kahvi (viele verschiedene Künstler, auch OGG-Format verfügbar)
CC-Hits Starfrosch Pimp My Rights, Vol. I CD mit Musik unter einer Creative Commons Lizenz vom Chaaos Computer Club Regensburg
Sammelthread kostenloser legaler MP3s Achtung: teilweise Musikhinweise ohne Creative Commons Lizenz
http://www.mixotic.net/

keine freien Inhalte, aber für den Privatgebrauch kostenlos nutzbar:

Die kostenlos angebotenen Hörbücher und Hörspiele bei Vorleser.net dürfen herunter geladen, vervielfältigt sowie auf Datenträgern (CDs, mp3-Player) kostenlos für den privaten Gebrauch weiter gegeben werden. Kostenpflichtige Angebote sind davon ausgenommen.

Mixed Tape (downlad von einem Dritten) von DaimlerChrysler AG, Musikstücke urheberrechtlich geschützt, zur privaten Nutzung und Weitergabe frei. Mehr Informationen siehe bei mp3-post .

Der Bayerische Rundfunk stellt Ihnen dieses Download-Angebot kostenlos und lediglich für ausschließlich private Zwecke zur Verfügung. Die von Ihnen heruntergeladene Datei darf weder zu anderen als privaten Zwecken genutzt, insbesondere kopiert werden, noch bearbeitet oder sonstwie verändert, noch veröffentlicht werden. Jede kommerzielle Verwendung, insbesondere der Verkauf oder die Verwendung zu Werbezwecken, ist strikt untersagt. Der Bayerische Rundfunk haftet nicht für eventuelle Datenverluste oder Schäden, die durch das Herunterladen der Datei entstehen.

tuXmas DVD 2007

Auch 2007 gibt es wieder eine tuXmas-DVD der Linux User Group Backnang.

Die tuXmas ist eine DVD vollgepackt mit freien und frei kopierbaren Inhalten. Es sind kostenlose Musik, Videos, Hörbücher, Bücher, Comics und viele andere kostenlose Sachen auf der DVD enthalten.

Die DVD (4,1 GB) kann entweder über BitTorrent runtergeladen werden.

tuxmas2007.iso.torrent


oder via

HTTP-Download

Hochschule Esslingen


Zusammenfassung der geplanten/existierenden Eingriffe in die informelle Selbstbestimmung

Eine gute Zusammenfassung der geplanten/existierende Eingriffe in die informelle Selbstbestimmung.

Was ist geplant? Der Schäuble Katalog

Sind jetzt heimliche Hausdurchsuchungen geplant ?

Das habe ich heute bei Heisse gelesen:


Von der heimlichen Onlinedurchsuchung zur heimlichen Hausdurchsuchung

Montag, 17. Dezember 2007

Kostenlose Weihnachtslieder

Kostenlose Weihnachtslieder, die unter einer Creative Commons Lizenz veröffentlicht sind, können bei 10 + 100 Creative Commons Christmas Songs gefunden werden.

Weiter Weihnachtsmusik, auch unter einer Creative Commons Lizenz, kann man bei Magnatune finden.

Reinhard Mey stellt sein Lied „Die 12 Weihnachtstage“ gratis zur Verfügung.

Samstag, 15. Dezember 2007

Niedersachsens Polizei soll einfach in Wohnungen gehen können

BKA-Chef Ziercke hält es für verfrüht, doch Niedersachsens Innenminister Schünemann besteht darauf: Seine Polizei soll bei Terrorverdacht unangekündigt in Wohnungen gehen dürfen.

http://www.netzeitung.de/deutschland/846330.html

Wollen Sie nicht, dass der Staat Ihre Spur im Internet verfolgen kann?

Hinweise zur Vermeidung der Vorratsspeicherung

            http://tinyurl.com/2ekazl



Google kontrolliert deine E-Mail, deine Videos, deinen Kalender, deine Suchanfragen … Was wäre, wenn es dein Leben kontrollierte?



„Gebt mir sechs Zeilen, geschrieben von den ehrenwertesten Männern, und ich werde einen Grund finden, sie zu hängen.“ Kardinal Richelieu

„Wir wissen nicht genug über dich.“ Google-Chef Eric Schmidt


Greg landete abends um acht auf dem internationalen Flughafen von San Francisco, doch bis er in der Schlange am Zoll ganz vorn ankam, war es nach Mitternacht. Er war der ersten Klasse nussbraun, unrasiert und drahtig entstiegen, nachdem er einen Monat am Strand von Cabo verbracht hatte, um drei Tage pro Woche zu tauchen und sich in der übrigen Zeit mit der Verführung französischer Studentinnen zu beschäftigen. Vor vier Wochen hatte er die Stadt als hängeschultriges, kullerbäuchiges Wrack verlassen. Nun war er ein bronzener Gott, der bewundernde Blicke der Stewardessen vorn in der Kabine auf sich zog.
Vier Stunden später war in der Schlange am Zoll aus dem Gott wieder ein Mensch geworden. Sein Elan war ermattet, Schweiß rann ihm bis hinunter zum Po, und Schultern und Nacken waren so verspannt, dass sein Rücken sich anfühlte wie ein Tennisschläger. Sein iPod-Akku hatte schon längst den Geist aufgegeben, sodass ihm keine andere Ablenkung blieb, als dem Gespräch des Pärchens mittleren Alters vor ihm zu lauschen.
„Die Wunder moderner Technik“, sagte die Frau mit Blick auf ein Schild in seiner Nähe: Einwanderung – mit Unterstützung von Google.
„Ich dachte, das sollte erst nächsten Monat losgehen?“ Der Mann setzte seinen Riesen-Sombrero immer wieder auf und ab.
Googeln an der Grenze – Allmächtiger. Greg hatte sich vor sechs Monaten von Google verabschiedet, nachdem er seine Aktienoptionen zu Barem gemacht hatte, um sich eine Auszeit zu gönnen, die dann allerdings nicht so befriedigend wurde wie erhofft. Denn während der ersten fünf Monate hatte er kaum etwas anderes getan, als die Rechner seiner Freunde zu reparieren, tagsüber vorm Fernseher zu sitzen und zehn Pfund zuzunehmen – was wohl darauf zurückzuführen war, dass er nun daheim herumsaß statt im Googleplex mit seinem gut ausgestatteten 24-Stunden-Fitnessclub.
Klar, er hätte es kommen sehen müssen. Die US-Regierung hatte 15 Milliarden Dollar daran verschwendet, Besucher an der Grenze zu fotografieren und ihre Fingerabdrücke zu nehmen – und man hatte nicht einen einzigen Terroristen geschnappt. Augenscheinlich war die öffentliche Hand nicht in der Lage, richtig zu suchen.
Der DHS-Beamte hatte tiefe Ringe unter den Augen und blinzelte auf seinen Monitor, während er die Tastatur mit seinen Wurstfingern traktierte. Kein Wunder, dass es vier Stunden dauerte, aus dem verdammten Flughafen rauszukommen.
„’n Abend“, sagte Greg und reichte dem Mann seinen schwitzigen Pass. Der Mann grunzte etwas und wischte ihn ab, dann starrte er auf den Bildschirm und tippte. Eine Menge. Ein kleiner Rest getrockneten Essens klebte ihm im Mundwinkel, und er bearbeitete ihn mit seiner Zunge.
„Möchten Sie mir was über Juni 1998 erzählen?“
Greg blickte vom Abflugplan hoch. „Pardon?“
„Sie haben am 17. Juni 1998 eine Nachricht auf alt.burningman über Ihre Absicht geschrieben, ein Festival zu besuchen. Und da fragten Sie: „Sind Psychopilze wirklich so eine schlechte Idee?““
Der Interviewer im zweiten Befragungsraum war ein älterer Mann, nur Haut und Knochen, als sei er aus Holz geschnitzt. Seine Fragen gingen sehr viel tiefer als Psychopilze.
„Berichten Sie mir von Ihren Hobbys. Befassen Sie sich mit Raketenmodellen?“
„Womit?“
„Mit Raketenmodellen.“
„Nein“, sagte Greg, „überhaupt nicht“. Er ahnte, worauf das hinauslief.
Der Mann machte eine Notiz und klickte ein paarmal. „Ich frage nur, weil bei Ihren Suchanfragen und Ihrer Google-Mail ’ne Menge Werbung für Raketenzubehör auftaucht.“
Greg schluckte. „Sie blättern durch meine Suchanfragen und Mails?“ Er hatte nun seit einem Monat keine Tastatur angefasst, aber er wusste: Was er in die Suchleiste eintippte, war wahrscheinlich aussagekräftiger als alles, was er seinem Psychiater erzählte.
„Sir, bleiben Sie bitte ruhig. Nein, ich schaue Ihre Suchanfragen nicht an“, sagte der Mann mit einem gespielten Seufzer. „Das wäre verfassungswidrig. Wir sehen nur, welche Anzeigen erscheinen, wenn Sie Ihre Mails lesen oder etwas suchen. Ich habe eine Broschüre, die das erklärt. Sie bekommen sie, sobald wir hier durch sind.“
„Aber die Anzeigen bedeuten nichts“, platzte Greg heraus. „Ich bekomme Anzeigen für Ann-Coulter-Klingeltöne, sooft ich eine Mail von meinem Freund in Coulter, Iowa, erhalte!“
Der Mann nickte. „Ich verstehe, Sir. Und genau deshalb spreche ich jetzt hier mit Ihnen. Können Sie sich erklären, weshalb bei Ihnen so häufig Modellraketen-Werbung erscheint?“
Greg grübelte. „Okay, probieren wir’s mal. Suchen Sie nach „coffee fanatics“.“ Er war in der Gruppe mal ziemlich aktiv gewesen und hatte beim Aufbau der Website ihres Kaffee-des-Monats-Abodienstes geholfen. Die Bohnenmischung zum Start des Angebots hieß „Turbinen-Treibstoff“. Das plus „Start“, und schon würde Google ein paar Modellraketen-Anzeigen einblenden.
Die Sache schien gerade ausgestanden zu sein, als der geschnitzte Mann die Halloween-Fotos entdeckte – tief vergraben auf der dritten Seite der Suchergebnisse für „Greg Lupinski“.
„Es war eine Golfkriegs-Themenparty im Castro“, sagte er.
„Und Sie sind verkleidet als …?“
„Selbstmordattentäter“, erwiderte er kläglich. Das Wort nur auszusprechen verursachte ihm Übelkeit.
„Kommen Sie mit, Mr. Lupinski“, sagte der Mann.
Als er endlich gehen durfte, war es nach drei Uhr. Seine Koffer standen verloren am Gepäckkarussell. Er nahm sie und sah, dass sie geöffnet und nachlässig wieder geschlossen worden waren; hier und da lugten Kleidungsstücke heraus.
Daheim stellte er fest, dass all seine pseudopräkolumbianischen Statuen zerbrochen worden waren und dass mitten auf seinem brandneuen weißen mexikanischen Baumwollhemd ein ominöser Stiefelabdruck prangte. Seine Kleidung roch nun nicht mehr nach Mexiko – sie roch nach Flughafen.
An Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken, er musste über die Sache reden. Es gab nur eine einzige Person, die all das begreifen würde. Zum Glück war sie normalerweise um diese Zeit noch wach.
Maya war zwei Jahre nach Greg zu Google gekommen. Sie war es, die ihn überzeugt hatte, nach dem Einlösen der Optionen nach Mexiko zu gehen: Wohin auch immer, hatte sie gesagt, solange er nur seinem Dasein einen Neustart verpasste.
Maya hatte zwei riesige schokobraune Labradors und eine überaus geduldige Freundin, Laurie, die mit allem einverstanden war, solange es nicht bedeutete, dass sie selbst morgens um sechs von 350 Pfund sabbernder Caniden durch Dolores Park geschleift wurde.
Maya griff nach ihrem Tränengas, als Greg auf sie zugelaufen kam; dann blickte sie ihn erstaunt an und breitete ihre Arme aus, während sie die Leinen fallen ließ und mit dem Schuh festhielt. „Wo ist der Rest von dir? Mann, siehst du heiß aus!“
Er erwiderte die Umarmung, plötzlich seines Aromas nach einer Nacht invasiven Googelns bewusst. „Maya“, sagte er, „was weißt du über Google und das DHS?“
Seine Frage ließ sie erstarren. Einer der Hunde begann zu jaulen. Sie blickte sich um, nickte dann hoch in Richtung der Tennisplätze. „Auf dem Laternenmast – nicht hinschauen“, sagte sie. „Da ist einer unserer lokalen Funknetz-Hotspots. Weitwinkel-Webcam. Guck in die andere Richtung, während du sprichst.“
Letztlich war es für Google gar nicht teuer gewesen, die Stadt mit Webcams zu überziehen – vor allem, wenn man bedachte, welche Möglichkeiten es bot, Menschen die passende Werbung zu ihrem jeweiligen Aufenthaltsort liefern zu können. Greg hatte seinerzeit kaum Notiz davon genommen, als die Kameras auf all den Hotspots ihren öffentlichen Betrieb aufnahmen; es hatte einen Tag lang Aufruhr in der Blogosphäre gegeben, während die Leute mit dem neuen Allesseher zu spielen begannen und an diverse Rotlichtviertel heranzoomten, doch nach einer Weile war die Aufregung abgeebbt.
Greg kam sich albern vor; er murmelte: „Du machst Witze.“
„Komm mit“, erwiderte sie, nicht ohne sich dabei vom Laternenpfahl abzuwenden.
Die Hunde waren nicht einverstanden damit, den Spaziergang abzukürzen, und taten ihren Unmut in der Küche kund, wo Maya Kaffee zubereitete.
„Wir haben einen Kompromiss mit dem DHS ausgehandelt“, sagte sie und griff nach der Milch. „Sie haben sich damit einverstanden erklärt, nicht mehr unsere Suchprotokolle zu durchwühlen, und wir lassen sie im Gegenzug sehen, welcher Nutzer welche Anzeigen zu sehen bekommt.“
Greg fühlte sich elend. „Warum? Sag nicht, dass Yahoo es schon vorher gemacht hat …“
„N-nein. Doch, ja sicher, Yahoo war schon dabei. Aber das war nicht der Grund für Google mitzumachen. Du weißt doch, die Republikaner hassen Google. Wir sind größtenteils als Demokraten registriert, also tun wir unser Bestes, mit ihnen Frieden zu schließen, bevor sie anfangen, sich auf uns einzuschießen. Es geht ja auch nicht um P.I.I.“ – persönlich identifizierende Information, der toxische Smog der Informationsära – „sondern bloß um Metadaten. Also ist es bloß ein bisschen böse.“
„Warum dann all die Heimlichtuerei?“
Maya seufzte und umarmte den Labrador, dessen gewaltiger Kopf auf ihrem Knie ruhte. „Die Schlapphüte sind wie Läuse – die sind überall. Tauchen sogar in unseren Konferenzen auf, als wären wir in irgendeinem Sowjet-Ministerium. Und dann die Sicherheitseinstufungen – das spaltet uns in zwei Lager: solche mit Bescheinigung und solche ohne. Jeder von uns weiß, wer keine Freigabe hat, aber niemand weiß, warum. Ich bin als „sicher“ eingestuft – zum Glück fällt man als Lesbe nicht mehr gleich automatisch durch. Keine „sichere“ Person würde sich herablassen, mit jemandem essen zu gehen, der keine Freigabe hat.“
Greg fühlte sich sehr müde. „Na, da kann ich von Glück reden, dass ich lebend aus dem Flughafen herausgekommen bin. Mit Pech wär’ ich jetzt eine Vermisstenmeldung, was?“
Maya blickte ihn nachdenklich an. Er wartete auf eine Antwort.
„Was ist denn?“
„Ich werde dir jetzt was erzählen, aber du darfst es niemals weitergeben, o.k.?“
„Ähm, du bist nicht zufällig in einer terroristischen Vereinigung?“
„Wenn’s so einfach wäre … Die Sache ist die: Was das DHS am Flughafen treibt, ist eine Art Vorsortierung, die es den Schlapphüten erlaubt, ihre Suchkriterien enger zu fassen. Sobald du an der Grenze ins zweite Zimmerchen gebeten wirst, bist du eine „Person von Interesse“ – und dann haben sie dich im Griff. Sie suchen über Webcams nach deinem Gesicht und Gang, lesen deine Mail, überwachen deine Suchanfragen.“
„Sagtest du nicht, die Gerichte würden das nicht erlauben?“
„Sie erlauben es nicht, jedermann undifferenziert auf blauen Dunst zu googeln. Aber sobald du im System bist, wird das eine selektive Suche. Alles legal. Und wenn sie dich erst mal googeln, finden sie garantiert irgendwas. Deine gesamten Daten werden auf „verdächtige Muster“ abgegrast, und aus jeder Abweichung von der statistischen Norm drehen sie dir einen Strick.“
Greg fühlte Übelkeit in sich aufsteigen. „Wie zum Teufel konnte das passieren? Google war ein guter Ort. „Tu nichts Böses“, war da nicht was?“ Das war das Firmenmotto, und für Greg war es ein Hauptgrund dafür gewesen, seinen Stanford-Abschluss in Computerwissenschaften direkten Wegs nach Mountain View zu tragen.
Mayas Erwiderung war ein raues Lachen. „Tu nichts Böses? Ach komm, Greg. Unsere Lobbyistengruppe ist dieselbe Horde von Kryptofaschisten, die Kerry die Swift-Boat-Nummer anhängen wollte. Wir haben schon längst angefangen, vom Bösen zu naschen.“
Sie schwiegen eine Minute lang.
„Es ging in China los“, sagte sie schließlich. „Als wir unsere Server aufs Festland brachten, unterstellten wir sie damit chinesischem Recht.“
Greg seufzte. Er wusste nur zu gut um Googles Einfluss: Sooft man eine Webseite mit Google Ads besuchte, Google Maps oder Google Mail benutzte – ja sogar, wenn man nur Mail an einen Gmail-Nutzer sendete –, wurden diese Daten von der Firma penibel gesammelt. Neuerdings hatte Google sogar begonnen, die Suchseite auf Basis solcher Daten für die einzelnen Nutzer zu personalisieren. Dies hatte sich als revolutionäres Marketingwerkzeug erwiesen. Eine autoritäre Regierung würde damit andere Dinge anfangen wollen.
„Sie benutzten uns dazu, Profile von Menschen anzulegen“, fuhr sie fort. „Wenn sie jemanden einbuchten wollten, kamen sie zu uns und fanden einen Vorwand dafür. Schließlich gibt’s kaum eine Aktivität im Internet, die in China nicht illegal ist.“
Greg schüttelte den Kopf. „Und warum mussten die Server in China stehen?“
„Die Regierung sagte, sie würde uns sonst blocken. Und Yahoo war schon da.“ Sie schnitten beide Grimassen. Irgendwann hatten die Google-Mitarbeiter eine Obsession für Yahoo entwickelt und sich mehr darum gekümmert, was die Konkurrenz trieb, als darum, wie es um das eigene Unternehmen stand. „Also taten wir’s – obwohl viele von uns es nicht für eine gute Idee hielten.“
Maya schlürfte ihren Kaffee und senkte die Stimme. Einer ihrer Hunde schnupperte unablässig unter Gregs Stuhl.
„Die Chinesen forderten uns praktisch sofort auf, unsere Suchergebnisse zu zensieren“, sagte Maya. „Google kooperierte. Mit einer ziemlich bizarren Begründung: „Wir tun nichts Böses, sondern wir geben den Kunden Zugriff auf eine bessere Suchmaschine! Denn wenn wir ihnen Suchergebnisse präsentierten, die sie nicht aufrufen können, würde sie das doch nur frustrieren – das wäre ein mieses Nutzererlebnis.““
„Und jetzt?“ Greg schubste einen Hund beiseite. Maya wirkte gekränkt.
„Jetzt bist du eine Person von Interesse, Greg. Du wirst googlebelauert. Du lebst jetzt ein Leben, in dem dir permanent jemand über die Schulter blickt. Denk an die Firmen-Mission: „Die Information der Welt organisieren“. Alles. Lass fünf Jahre ins Land gehen, und wir wissen, wie viele Haufen in der Schüssel waren, bevor du sie gespült hast. Nimm dazu die automatisierte Verdächtigung von jedem, der Übereinstimmungen mit dem statistischen Bild eines Schurken aufweist, und du bist …“
„… verraten und vergoogelt.“
„Voll und ganz“, nickte sie.
Maya brachte beide Labradors zum Schlafzimmer. Eine gedämpfte Diskussion mit ihrer Freundin war zu hören, dann kam sie allein zurück.
„Ich kann die Sache in Ordnung bringen“, presste sie flüsternd hervor. „Als die Chinesen mit den Verhaftungen anfingen, machten ein paar Kollegen und ich es zu unserem 20-Prozent-Projekt, ihnen in die Suppe zu spucken.“ (Eine von Googles unternehmerischen Innovationen war die Regel, dass alle Angestellten 20 Prozent ihrer Arbeitszeit in anspruchsvolle Projekte nach eigenem Gusto zu investieren hatten.) „Wir nennen es den Googleputzer. Er greift tief in die Datenbanken ein und normalisiert dich statistisch. Deine Suchanfragen, Gmail-Histogramme, Surfmuster. Alles. Greg, ich kann dich googleputzen. Eine andere Möglichkeit hast du nicht.“
„Ich will nicht, dass du meinetwegen Ärger bekommst.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin ohnehin schon geliefert. Jeder Tag, seit ich das verdammte Ding programmiert habe, ist geschenkte Zeit. Ich warte bloß noch drauf, dass jemand dem DHS meinen Background steckt, und dann … tja, ich weiß auch nicht. Was auch immer sie mit Menschen wie mir machen in ihrem Krieg gegen abstrakte Begriffe.“
Greg dachte an den Flughafen, an die Durchsuchung, an sein Hemd mit dem Stiefelabdruck.
„Tu’s“, sagte er.
Der Googleputzer wirkte Wunder. Greg erkannte es daran, welche Anzeigen am Rand seiner Suchseiten erschienen, Anzeigen, die offensichtlich für jemand anderen gedacht waren. Fakten zum Intelligent Design, Abschluss im Online-Seminar, ein terrorfreies Morgen, Pornografieblocker, die homosexuelle Agenda, billige Toby-Keith-Tickets. Es war offensichtlich, dass Googles neue personalisierte Suche ihn für einen völlig anderen hielt: einen gottesfürchtigen Rechten mit einer Schwäche für Cowboy-Musik.
Nun gut, das sollte ihm recht sein.
Dann klickte er sein Adressbuch an und stellte fest, dass die Hälfte seiner Kontakte fehlte. Sein Gmail-Posteingang war wie von Termiten ausgehöhlt, sein Orkut-Profil normalisiert. Sein Kalender, Familienfotos, Lesezeichen: alles leer. Bis zu diesem Moment war ihm nicht klar gewesen, wie viel seiner selbst ins Web migriert war und seinen Platz in Googles Serverfarmen gefunden hatte – seine gesamte Online-Identität. Maya hatte ihn auf Hochglanz poliert; er war jetzt Der Unsichtbare.
Greg tippte schläfrig auf die Tastatur seines Laptops neben dem Bett und erweckte den Monitor zum Leben. Er blinzelte die Uhr in der Toolbar an. 4:13 Uhr morgens! Allmächtiger, wer hämmerte denn um diese Zeit gegen seine Tür?
Er rief mit nuscheliger Stimme „Komm ja schon“ und schlüpfte in Morgenmantel und Pantoffeln. Dann schlurfte er den Flur entlang und knipste unterwegs die Lichter an. Durch den Türspion blickte ihm düster Maya entgegen.
Er entfernte Kette und Riegel und öffnete die Tür. Maya huschte an ihm vorbei, gefolgt von den Hunden und ihrer Freundin.
Sie war schweißüberströmt, ihr normalerweise gekämmtes Haar hing strähnig in die Stirn. Sie rieb sich die roten, geränderten Augen.
„Pack deine Sachen“, stieß sie heiser hervor.
„Was?“
Sie packte ihn bei den Schultern. „Mach schon“, sagte sie.
„Wohin willst …“
„Mexiko wahrscheinlich. Weiß noch nicht. Nun pack schon, verdammt.“ Sie drängte sich an ihm vorbei ins Schlafzimmer und begann, Schubladen zu öffnen.
„Maya“, sagte er scharf, „ich gehe nirgendwohin, solange du mir nicht sagst, was los ist.“
Sie starrte ihn an und wischte ihre Haare aus dem Gesicht. „Der Googleputzer lebt. Als ich dich gesäubert hatte, hab’ ich ihn runtergefahren und bin verschwunden. Zu riskant, ihn noch weiter zu benutzen. Aber er schickt mir Mailprotokolle, sooft er läuft. Und jemand hat ihn sechs Mal verwendet, um drei verschiedene Benutzerkonten zu schrubben – und die gehören zufällig alle Mitgliedern des Senats-Wirtschaftskomitees, die vor Neuwahlen stehen.“
„Googler frisieren die Profile von Senatoren?“
„Keine Google-Leute. Das kommt von außerhalb; die IP-Blöcke sind in D.C. registriert. Und alle IPs werden von Gmail-Nutzern verwendet. Rate mal, wem diese Konten gehören.“
„Du schnüffelst in Gmail-Konten?“
„Hm, ja. Ich hab’ durch ihre E-Mails geschaut. Jeder macht das mal, und mit weitaus übleren Motiven als ich. Aber stell dir vor, all diese Aktivität geht von unserer Lobbyistenfirma aus. Machen nur ihren Job, dienen den Interessen des Unternehmens.“
Greg fühlte das Blut in seinen Schläfen pulsieren. „Wir sollten es jemandem erzählen.“
„Das bringt nichts. Die wissen alles über uns. Sehen jede Suchanfrage, jede Mail, jedes Mal, wenn uns die Webcams erfassen. Wer zu unserem sozialen Netzwerk gehört … Wusstest du das? Wenn du 15 Orkut-Freunde hast, ist es statistisch gesehen sicher, dass du höchstens drei Schritte entfernt bist von jemandem, der schon mal Geld für „terroristische“ Zwecke gespendet hat. Denk an den Flughafen – das war erst der Anfang für dich.“
„Maya“, sagte Greg, der nun seine Fassung wiedergewann, „übertreibst du es nicht mit Mexiko? Du könntest doch kündigen, und wir ziehen ein Start-up auf. Aber das ist doch bescheuert.“
„Sie kamen heute zu Besuch“, entgegnete sie. „Zwei politische Beamte vom DHS. Blieben stundenlang und stellten eine Menge verdammt harter Fragen.“
„Über den Googleputzer?“
„Über meine Freunde und Familie. Meine Such-Geschichte. Meine persönliche Geschichte.“
„Jesus.“
„Das war eine Botschaft für mich. Die beobachten mich – jeden Klick, jede Suche. Zeit zu verschwinden, jedenfalls aus ihrer Reichweite.“
„In Mexiko gibt’s auch eine Google-Niederlassung.“
„Wir müssen jetzt los“, beharrte sie.
„Laurie, was hältst du davon?“, fragte Greg.
Laurie stupste die Hunde zwischen die Schultern. „Meine Eltern sind ’65 aus Ostdeutschland weggegangen. Sie haben mir immer von der Stasi erzählt. Die Geheimpolizei hat alles über dich in deiner Akte gesammelt: ob du vaterlandsfeindliche Witze erzählst, all so’n Zeug. Ob sie’s nun wollten oder nicht, Google hat inzwischen das Gleiche aufgezogen.“
„Greg, kommst du nun?“
Er blickte die Hunde an und schüttelte den Kopf. „Ich hab’ ein paar Pesos übrig“, sagte er. „Nehmt sie mit. Und passt auf euch auf, ja?“
Maya zog ein Gesicht, als wolle sie ihm eine runterhauen. Dann entspannte sie sich und umarmte ihn heftig.
„Pass du auf dich auf“, flüsterte sie ihm ins Ohr.
Eine Woche später kamen sie zu ihm. Nach Hause, mitten in der Nacht, genau wie er es sich vorgestellt hatte.
Es war kurz nach zwei Uhr morgens, als zwei Männer vor seiner Tür standen.
Einer blieb schweigend dort stehen. Der andere war ein Lächler, klein und faltig, mit einem Fleck auf dem einen Mantelrevers und einer amerikanischen Flagge auf dem anderen. „Greg Lupinski, es besteht der begründete Verdacht, dass Sie gegen das Gesetz über Computerbetrug und -missbrauch verstoßen haben“, sagte er, ohne sich vorzustellen. „Insbesondere, dass Sie Bereiche autorisierten Zugangs überschritten und sich dadurch Informationen verschafft haben. Zehn Jahre für Ersttäter. Außerdem gilt das, was Sie und Ihre Freundin mit Ihren Google-Daten gemacht haben, als schweres Verbrechen. Und was dann noch in der Verhandlung zutage kommen wird … angefangen mit all den Dingen, um die Sie Ihr Profil bereinigt haben.“
Greg hatte diese Szene eine Woche lang im Geist durchgespielt, und er hatte sich allerlei mutige Dinge zurechtgelegt, die er hatte sagen wollen. Es war eine willkommene Beschäftigung gewesen, während er auf Mayas Anruf wartete. Der Anruf war nie gekommen.
„Ich möchte einen Anwalt sprechen“, war alles, was er herausbrachte.
„Das können Sie tun“, sagte der kleine Mann. „Aber vielleicht können wir zu einer besseren Einigung kommen.“
Greg fand seine Stimme wieder. „Darf ich mal Ihre Marke sehen?“
Das Basset-Gesicht des Mannes hellte sich kurz auf, als er ein amüsiertes Glucksen unterdrückte. „Kumpel, ich bin kein Bulle“, entgegnete er. „Ich bin Berater. Google beschäftigt mich – meine Firma vertritt ihre Interessen in Washington –, um Beziehungen aufzubauen. Selbstverständlich würden wir niemals die Polizei hinzuziehen, ohne zuerst mit Ihnen zu sprechen. Genau genommen möchte ich Ihnen ein Angebot unterbreiten.“
Greg wandte sich der Kaffeemaschine zu und entsorgte den alten Filter.
„Ich geh’ zur Presse“, sagte er.
Der Mann nickte, als ob er darüber nachdenken müsse. „Na klar. Sie gehen eines Morgens zum Chronicle und breiten alles aus. Dort sucht man nach einer Quelle, die Ihre Story stützt; man wird aber keine finden. Und wenn sie danach suchen, werden wir sie finden. Also lassen Sie mich doch erst mal ausreden, Kumpel. Ich bin im Win-Win-Geschäft, und ich bin sehr gut darin.“ Er pausierte. „Sie haben da übrigens hervorragende Bohnen, aber wollen Sie sie nicht erst ’ne Weile wässern? Dann sind sie nicht mehr so bitter, und die Öle kommen besser zur Geltung. Reichen Sie mir mal ein Sieb?“
Greg beobachtete den Mann dabei, wie er schweigend seinen Mantel auszog und über den Küchenstuhl hängte, die Manschetten öffnete, die Ärmel sorgfältig hochrollte und eine billige Digitaluhr in die Tasche steckte. Er kippte die Bohnen aus der Mühle in Gregs Sieb und wässerte sie in der Spüle.
Er war ein wenig untersetzt und sehr bleich, mit all der sozialen Anmut eines Elektroingenieurs. Wie ein echter Googler auf seine Art, besessen von Kleinigkeiten. Mit Kaffeemühlen kannte er sich also auch aus.
„Wir stellen ein Team für Haus 49 zusammen …“
„Es gibt kein Haus 49“, sagte Greg automatisch.
„Schon klar“, entgegnete der andere mit verkniffenem Lächeln. „Es gibt kein Haus 49. Aber wir bauen ein Team auf, das den Googleputzer überarbeiten soll. Mayas Code war nicht sonderlich schlank und steckt voller Fehler. Wir brauchen ein Upgrade. Sie wären der Richtige; und was Sie wissen, würde keine Rolle spielen, wenn Sie wieder an Bord sind.“
„Unglaublich“, sagte Greg spöttisch. „Wenn Sie denken, dass ich Ihnen helfe, im Austausch für Gefälligkeiten politische Kandidaten anzuschwärzen, sind Sie noch wahnsinniger, als ich dachte.“
„Greg“, sagte der Mann, „niemand wird angeschwärzt. Wir machen nur ein paar Dinge sauber. Für ausgewählte Leute. Sie verstehen mich doch? Genauer betrachtet gibt jedes Google-Profil Anlass zur Sorge. Und genaue Betrachtung ist der Tagesbefehl in der Politik. Eine Bewerbung um ein Amt ist wie eine öffentliche Darmspiegelung.“ Er befüllte die Kaffeemaschine und drückte mit vor Konzentration verzerrtem Gesicht den Kolben nieder. Greg holte zwei Kaffeetassen (Google-Becher natürlich) und reichte sie weiter.
„Wir tun für unsere Freunde das Gleiche, was Maya für Sie getan hat. Nur ein wenig aufräumen. Nur ihre Privatsphäre schützen – mehr nicht.“
Greg nippte am Kaffee. „Was geschieht mit den Kandidaten, die Sie nicht putzen?“
„Na ja“, sagte Gregs Gegenüber mit dünnem Grinsen, „tja, Sie haben Recht, für die wird’s ein bisschen schwierig.“ Er kramte in der Innentasche seines Mantels und zog einige gefaltete Blätter Papier hervor, strich sie glatt und legte sie auf den Tisch. „Hier ist einer der Guten, der unsere Hilfe braucht.“ Es war das ausgedruckte Suchprotokoll eines Kandidaten, dessen Kampagne Greg während der letzten drei Wahlen unterstützt hatte.
„Der Typ kommt also nach einem brutalen Wahlkampf-Tag voller Klinkenputzen ins Hotel, fährt den Laptop hoch und tippt „knackige Ärsche“ in die Suchleiste. Ist doch kein Drama, oder? Wir sehen es so: Wenn man wegen so was einen guten Mann daran hindert, weiterhin seinem Land zu dienen, wäre das schlichtweg unamerikanisch.“
Greg nickte langsam.
„Sie werden ihm also helfen?“, fragte der Mann.
„Ja.“
„Gut. Da wäre dann noch was: Sie müssen uns helfen, Maya zu finden. Sie hat überhaupt nicht verstanden, worum es uns geht, und jetzt scheint sie sich verdrückt zu haben. Wenn sie uns bloß mal zuhört, kommt sie bestimmt wieder rum.“
Er betrachtete das Suchprofil des Kandidaten.
„Denke ich auch“, erwiderte Greg.
Der neue Kongress benötigte elf Tage, um das Gesetz zur Sicherung und Erfassung von Amerikas Kommunikation und Hypertext zu verabschieden. Es erlaubte dem DHS und der NSA, bis zu 80 Prozent der Aufklärungs- und Analysearbeit an Fremdfirmen auszulagern. Theoretisch wurden die Aufträge über offene Bietverfahren vergeben, aber in den sicheren Mauern von Googles Haus 49 zweifelte niemand daran, wer den Zuschlag erhalten würde. Wenn Google 15 Milliarden Dollar für ein Programm ausgegeben hätte, Übeltäter an den Grenzen abzufangen, dann hätte es sie garantiert erwischt – Regierungen sind einfach nicht in der Lage, richtig zu suchen.
Am Morgen darauf betrachtete Greg sich prüfend im Rasierspiegel (das Wachpersonal mochte keine Hacker-Stoppelbärte und hatte auch keine Hemmungen, das deutlich zu sagen), als ihm klar wurde, dass heute sein erster Arbeitstag als De-facto-Agent der US-Regierung begann. Wie schlimm mochte es werden? Und war es nicht besser, dass Google die Sache machte, als irgendein ungeschickter DHS-Schreibtischtäter?
Als er am Googleplex zwischen all den Hybridautos und überquellenden Fahrradständern parkte, hatte er sich selbst überzeugt. Während er sich noch fragte, welche Sorte Bio-Fruchtshake er heute in der Kantine bestellen würde, verweigerte seine Codekarte den Zugang zu Haus 49. Die rote LED blinkte immer nur blöde vor sich hin, wenn er seine Karte durchzog. In jedem anderen Gebäude würde immer mal jemand raus- und wieder reinkommen, dem man sich anschließen könnte. Aber die Googler in 49 kamen höchstens zum Essen raus, und manchmal nicht einmal dann.
Ziehen, ziehen, ziehen. Plötzlich hörte er eine Stimme neben sich.
„Greg, kann ich Sie bitte sprechen?“
Der verschrumpelte Mann legte einen Arm um seine Schulter, und Greg atmete den Duft seines Zitrus-Rasierwassers ein. So hatte sein Tauchlehrer in Baja geduftet, wenn sie abends durch die Kneipen zogen. Greg konnte sich nicht an seinen Namen erinnern: Juan Carlos? Juan Luis?
Der Mann hielt seine Schulter fest im Griff, lotste ihn weg von der Tür, über den tadellos getrimmten Rasen und vorbei am Kräutergarten vor der Küche. „Wir geben Ihnen ein paar Tage frei“, sagte er.
Greg durchschoss eine Panikattacke. „Warum?“ Hatte er irgendetwas falsch gemacht? Würden sie ihn einbuchten?
„Es ist wegen Maya.“ Der Mann drehte ihn zu sich und begegnete ihm mit einem Blick endloser Tiefe. „Sie hat sich umgebracht. In Guatemala. Es tut mir Leid, Greg.“
Greg spürte, wie der Boden unter seinen Füßen verschwand und wie er meilenweit emporgezogen wurde. In einer Google-Earth-Ansicht des Googleplex sah er sich und den verschrumpelten Mann als Punktepaar, zwei Pixel, winzig und belanglos. Er wünschte, er könnte sich die Haare ausreißen, auf die Knie fallen und weinen.
Von weit, weit weg hörte er sich sagen: „Ich brauch’ keine Auszeit. Ich bin okay.“
Von weit, weit weg hörte er den verschrumpelten Mann darauf bestehen.
Die Diskussion dauerte eine ganze Weile, dann gingen die beiden Pixel in Haus 49 hinein, und die Tür schloss sich hinter ihnen.
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Scroogled
Text von Cory Doctorow / Deutsch von Christian Wöhrl
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Freitag, 14. Dezember 2007

Comic



Author: Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung Bildquelle: http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/?title=Comics
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Donnerstag, 13. Dezember 2007

Noch 19 Tage bis zur Protokollierung der Telekommunikation...




Nach einem Gesetz, das CDU, CSU und SPD am 9. November 2007 gegen die Stimmen von FDP, Grüne und Linke beschlossen haben, soll ab 2008 nachvollziehbar werden, wer mit wem in den letzten sechs Monaten per Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung gestanden oder das Internet genutzt hat. Bei Handy-Telefonaten und SMS soll auch der jeweilige Standort des Benutzers festgehalten werden.



Foto: Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
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Dienstag, 11. Dezember 2007

Die Vorratsdatenspeicherung ist völlig harmlos, denn die gesammelten Daten sind viel zu allgemein, so dass man daraus überhaupt kein umfassendes Persönlichkeitsbild erstellen kann.

Sie hinterlassen bei eingeschaltetem Handy täglich ein vollständiges Bewegungsprofil. Bei Nutzung einer Payback-, EC - oder Kreditkarte kommt ihr Kaufverhalten hinzu. Ihre Gesprächdaten werden gesammelt und protokolliert. Gleichzeitig durchlaufen sie am Tag statistisch gesehen mehrere Videoaufzeichnungsanlagen.

Alle derartigen Maßnahmen haben eines gemeinsam: Für sich allein erscheinen sie unbedenklich, weil die Daten halbwegs anonym und nicht vollständig sind, so dass sie eigentlich nur dem offiziell angegebenen, durchaus sinnvollen Zweck dienen können. Dabei wird jedoch gerne vergessen, dass man uns mit einem ganzen Paket von sogenannten „Sicherheits-Techniken“ beglücken will. Vorratsdatenspeicherung, Video-Überwachung, Erhebung biometrischer Daten, etc. sind jeweils nur ein kleiner Stein im Mosaik.

Aber wir leben im Computer-Zeitalter und es ist ein Leichtes, alle diese Steinchen zum gläsernen Bürger zusammenzufügen. Davon abgesehen überwacht gerade die Vorratsdatenspeicherung einen Lebensbereich, der immer mehr an Bedeutung gewinnt und dem man sich heute kaum noch entziehen kann. Dass der Bundesrat sich in seiner Plenarsitzung am 16.2.2007 für eine Speicherung von Gesichtsbildern und Fingerabdrücken aus biometrischen Ausweisdokumenten bei der Polizei sowie einen automatisierten Vergleich der höchstpersönlichen Daten mit Fahndungsdatenbanken ausgesprochen hat, dürfen sie nun werten, wie sie möchten.

Vor der Überwachung müssen nur die Angst haben, die etwas verbrochen haben. Wer sich an Recht und Gesetz hält, hat nichts zu befürchten.

Wer überwacht wird, der verhält sich automatisch anders, als er es unbeobachtet tun würde. Selbst wenn man kein Verbrechen begangen hat oder plant (was bei den Meisten wohl der Fall sein dürfte) überlegt man ständig, welchen Eindruck das eigene Verhalten auf die Überwacher macht.

Deshalb wird man Dinge vermeiden, die man normalerweise tun würde, nur um nicht unter einen falschen Verdacht zu geraten. Und diese Vorsicht ist nicht unbegründet.
Ist ein auffälliges Interesse für Waffen ein Hinweis auf ein bevor stehendes Gewaltverbrechen? Ist die Beschäftigung mit dem 3. Reich ein Indiz für eine rechtsextreme Gesinnung? Macht das Betrachten erotischer Bilder einen Mann zum potentiellen Vergewaltiger? Deutet die Beschaffung von Informationen über eine bestimmte Krankheit darauf hin, dass man sie selbst hat? Das sind Fragen, die sich Überwacher ebenso wie Überwachte ganz sicher stellen. Letztlich werden unter dem psychischen Druck einer Überwachung Freiheiten und Grundrechte aufgegeben, die einem eigentlich zustehen würden.

Zudem ändern sich Gesetze ständig. Was jahrelang erlaubt war, kann sich kurzfristig ändern (z.B. Raucherschutzgesetz etc.), ohne daß das der Betroffene überhaupt mitbekommen muß oder kann. In vielen Fällen kann der einfache Bürger nicht einmal Gesetze v e r s t e h e n, wenn man nur einmal das Beispiel Finanzamt anführt, wird klar, daß oft sogar Experten völlig überfordert sind.

Ein Hauptargument ist die Tatsache, daß kein Mensch, kein Anwalt, kein Richter in Deutschland alle Gesetze des Landes kennt, meist kennt der normale Bürger nicht einmal alle Gesetzesbücher.

Folglich k a n n niemand so leben, daß er niemals gegen irgendein Gesetz verstößt. Er kann sich also nicht ständig an Gesetz und Recht halten und muß daher immer befürchten, dagegen verstoßen zu haben.

Zumal die meisten Gesetze im Einzelfall erst einmal interpretiert werden müssen, wie uns die Anzahl an Gerichtsverfahren (und Gerichte, Staatsanwälte, Rechtsanwälte) deutlich aufzeigen.
Ein totales Überwachungssystem muß daher das ganze Volk pauschal kriminalisieren. Wer darf dann überhaupt noch wählen?


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Date of this revision: 16 November 2007 01:54 CET
Date retrieved: 11 December 2007 12:52 CET
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Das "Ich habe nichts zu verbergen" - Phänomen

"Ich habe doch nichts zu verbergen" ist das Standard-Argument vieler Bundesbürger, wenn man sie auf die zunehmende Überwachung und deren negative Folgen hinweist.


Datenspeicherung, Data Mining
Das Problem, welches immer unterschätzt wird, ist, dass Daten, die einmal freigeben wurden (egal, ob im Internet oder im wirklichem Leben) auch an weitere Institutionen und Menschen weitergegeben werden können. Da dies an mehreren Stellen gleichzeitig passieren kann, fügen sich nach einer Weile die Daten zu einem Gesamtbild zusammen und man wird zu einem gläsernen Bürger. Und dabei können selbst die Einkaufslisten eines Menschen sehr aufschlussreiche Hinweise liefern. Daher sollte man selbst bei sogenannten Bonus-Programmen in Supermärkten vorsichtig sein.

Unabhängig davon, ob man theoretisch wirklich nichts zu verbergen hat, sollte man sich fragen, wieso diese Daten überhaupt irgendwen irgendetwas angehen sollen? Und man muss sich auch im Klaren darüber sein, dass die Daten, die man - etwa im Rahmen einer Umfrage - an eine Institution oder ein Unternehmen weitergegeben hat, ihrerseits auch wieder weitergereicht werden können an nicht-vertrauenswürdige Stellen. Es ist sehr leicht möglich, die Kontolle über seine Daten zu verlieren. Desweiteren können diese Daten auch verfremdet werden, wenn sie ohne den entsprechenden Kontext weitergegeben werden.

Außerdem ist damit zu rechnen, dass diese Daten sehr lange aufbewahrt werden. So kann etwa die Möglichkeit entstehen, dass eine dumme Tat im Alter von 16 Jahren das ganze weitere Leben zu verbauen vermag. Unter Umständen können spätere Arbeitgeber an diese Daten herankommen und diese als Kriterium nutzen, diesem Menschen eine Einstellung zu verunmöglichen. Von daher erwächst uns eine Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen, eben dieser Datensammelwut einen Riegel vorzuschieben!

Menschen begehen Fehler - das ist eine Tatsache, die an sich allerdings noch lange nicht verwerflich ist. Diejenigen, die diese Fehler aber aus einer sehr subjektiven Perspektive betrachten, können leicht zu falschen Schlüssen kommen. Denn auch wenn sie sehr viele Daten über eine Person haben, wird es nie möglich sein, über alle bezüglich eines Ereignisses relevanten Informationen zu verfügen. Zum Beispiel könnte sich eine Scheidung bezüglich der Arbeitskarriere eines Menschen sehr negativ auf seinen Lebenslauf auswirken, da sie mitunter geeignet ist, den Eindruck zu erwecken, dass man nicht zu seinen Entscheidungen stehe.
Wissen ist Macht, darüber sollte sich jeder im klaren sein. Und diese Macht kann missbraucht werden. Wie werden zum Beispiel zukünftige Regierungen mit den Daten umgehen? Man möge sich beispielsweise vorstellen, die NSDAP hätte auf die Datenbank zurückgreifen können, die 2005 von der Polizei in Nordrhein-Westfalen über Homosexuelle erstellt wurde).
Man sollte sich vor Augen führen, was es für die Meinungs- und Pressefreiheit bedeuten kann, wenn Informanten von Journalisten sich nicht mehr trauen, Informationen zu beschaffen, weil sie Konsequenzen befürchten müssen.

Hat nicht jeder etwas zu verbergen? Eigenschaften und Verhaltensweisen, die ethisch vollkommen unverwerflich sind, können trotzdem sozial geächtet werden und zur Diskriminierung führen:

- Homosexualität noch vor wenigen Jahren (teilweise auch noch heute)
- Zugehörigkeit zu einer religiösen oder politischen Gruppe, die gerade nicht in Mode ist
- Liebeleien, Seitensprünge, Affären
- Überraschungen
- seltsame Vorlieben (bspw. andersgeschlechtliche Unterwäsche tragen)
- Sucht (warum sonst sind Sucht-Beratungs-Zentren NICHT gekennzeichnet?)
- Kontobewegungen
- Krankheiten
- Jugendsünden
- Zwangsstörungen (z.B. Waschzwang) und Neurosen, die als peinlich empfunden werden etc.

Das "Zurück in die Linie"-Phänomen
Am Beispiel von England, wo inzwischen bereits Lautsprecher bei den Kameras installiert werden, kann man erahnen, dass Überwachungsdruck auf Dauer zu einem konformistischen Verhalten der Menschen führen wird, da jedwedes (in den Augen der Überwacher) abnorme Verhalten sofort "bestraft" werden kann. Wer unter Bewachung steht, kann verstärkt für sein Verhalten kritisiert und zur Rechenschaft gezogen werden und wird dadurch stark in der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit gehemmt. Der entstehende Druck, sich möglichst normkonform zu verhalten, um nicht aufzufallen oder aus der Reihe zu tanzen, begünstigt sowohl Intoleranz gegenüber Andersartigen als auch eine Einheitsgesellschaft, die zu geistigem oder sozialem Stillstand zu führen vermag, da Innovationen und gesellschaftliche Weiterentwicklungen meist von Querdenkern und Individualisten vorangetrieben wurden.

Gegenfloskeln
Wenn die Floskel "Ich hab doch nichts zu verbergen" vorgebracht wird, sollte man etwas dagegensetzen können. Einige Beispiele:
- Schließen Sie die Toilettentür hinter sich? Warum eigentlich, wo Sie doch nichts zu verbergen haben?
- Wenn ich nichts zu verbergen habe, braucht mich auch niemand zu überwachen.
- Wer soll den Spaß bezahlen? (Steuern)
- Warum tragen Sie in Innenräumen oder im Sommer eigentlich Kleidung?
- Diese Aussage muss doch wohl eher lauten: 'wer hörig / opportun ist oder sich unterwürfig zeigt / dem System nutzt bzw. dem System nicht schadet, hat nichts zu befürchten'!
- Jeder Mensch hat etwas zu verbergen, und sei es nur seine Privatsphäre.
- Erzählen Sie mir von ihrem Sexualleben und zeigen Sie mir ihr Tagebuch.
- Zeigen Sie mir doch mal ihre letzte Gehaltsabrechnung.

Umkehrung der Unschuldvermutung
In der Tradition des römischen Rechtssystemes galt der Grundsatz: "Im Zweifel für den Angeklagten". Konnte der Ankläger vor Gericht nicht die Schuld des Angeklagten beweisen, musste dieser freigesprochen werden. Dieses Prinzip gilt bis heute. Der Grund ist klar: Schutz vor falschen Anschuldigungen. Dem Angeklagten steht somit das Recht zu, bei der Aufklärung einer Anklage nicht mitzuwirken ("Sie haben das Recht zu schweigen!"). Dieses Prinzip geht sogar so weit, selbst nahen Angehörigen dieses Recht zuzugestehen.

Wird dem Prinzip "Ich-habe-nichts-zu-verbergen" noch mehr Raum eingeräumt, besteht die absolute Gefahr, dass das Prinzip der Unschuldsvermutung zunächst aufgeweicht und im Anschluss daran abgeschafft wird. Das bedeutete das Ende jeglichen freiheitlichen und demokratischen Lebens, die Vernichtung eines gerechten Rechtssystems mit Chancen für den Angeklagten und ein Brutkasten von Verdächtigungen und Anschuldigungen jeglicher Form.
Folglich läuft das Prinzip "Ich-habe-nichts-zu-verbergen" auf die faktische Abschaffung unseres Rechtssystems hinaus, also genau auf das Gegenteil von dem, was die Befürworter des Datensammelwahns als "Sicherung" und "Verteidigung" unserer Demokratie und unseres Rechtssystems anführen.

„Beweisen Sie meine Schuld, das sieht unser Rechtssystem so vor…“ wäre insofern die richtige Antwort auf dementsprechende Aufforderungen. „

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Author: Anonymous Contributors
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Date of this revision: 23 November 2007 22:12 CET
Date retrieved: 11 December 2007 12:56 CET
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