Donnerstag, 28. Februar 2008

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.

L e i t s ä t z e
zum Urteil des Ersten Senats vom 27. Februar 2008
- 1 BvR 370/07 - - 1 BvR 595/07 -

  1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.
  2. Die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems, mittels derer die Nutzung des Systems überwacht und seine Speichermedien ausgelesen werden können, ist verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen. Überragend wichtig sind Leib, Leben und Freiheit der Person oder solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt. Die Maßnahme kann schon dann gerechtfertigt sein, wenn sich noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass die Gefahr in näherer Zukunft eintritt, sofern bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall durch bestimmte Personen drohende Gefahr für das überragend wichtige Rechtsgut hinweisen.
  3. Die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems ist grundsätzlich unter den Vorbehalt richterlicher Anordnung zu stellen. Das Gesetz, das zu einem solchen Eingriff ermächtigt, muss Vorkehrungen enthalten, um den Kernbereich privater Lebensgestaltung zu schützen.
  4. Soweit eine Ermächtigung sich auf eine staatliche Maßnahme beschränkt, durch welche die Inhalte und Umstände der laufenden Telekommunikation im Rechnernetz erhoben oder darauf bezogene Daten ausgewertet werden, ist der Eingriff an Art. 10 Abs. 1 GG zu messen.
  5. Verschafft der Staat sich Kenntnis von Inhalten der Internetkommunikation auf dem dafür technisch vorgesehenen Weg, so liegt darin nur dann ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG, wenn die staatliche Stelle nicht durch Kommunikationsbeteiligte zur Kenntnisnahme autorisiert ist.
    Nimmt der Staat im Internet öffentlich zugängliche Kommunikationsinhalte wahr oder beteiligt er sich an öffentlich zugänglichen Kommunikationsvorgängen, greift er grundsätzlich nicht in Grundrechte ein.


BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

Zitierung: BVerfG, 1 BvR 370/07 vom 27.2.2008, Absatz-Nr. (1 - 333), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20080227_1bvr037007.html

Frei für den nicht gewerblichen Gebrauch.
Kommerzielle Nutzung nur mit Zustimmung des Gerichts.

Illegale Freie Software

Von Joachim Jakobs

Das Bundesverfassungsgericht hat heute die Online-Durchsuchung in Nordrhein-Westfalen (NRW) für mit dem Grundgesetz »unvereinbar und nichtig« erklärt. Geschlagene anderthalb Stunden lang dozierte der Präsident des Ersten Senats, Professor Hans-Jürgen Papier, über die Versäumnisse des Gesetzgebers und machte vor allem der Bundesregierung strenge Auflagen für die Entwicklung ihres Trojaners. Erstmals wurde das das »Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme« definiert. Das allerdings hindert Bundesinnenminister Schäuble nicht daran, so zu tun, als ob ihn der oberste Gesetzeshüter regelrecht aufgefordert hätte, seine Pläne noch zu beschleunigen: »Ich gehe davon aus, dass nunmehr die beabsichtigte und von allen Experten und Polizeipraktikern für notwendig gehaltene Regelung im BKA-Gesetz so rasch wie möglich umgesetzt werden kann.« Ups! Hat der überhaupt gelesen, was ihm die Richter da mit auf den Weg gegeben haben? Der Kampf um digitale Freiheitsrechte jedenfalls geht weiter!

Bislang hatten Unbedarfte wie ich vermutet, Schäuble selbst sei intrinsisch von der Datengier beseelt. Weit gefehlt! Offenbar ist es die Kanzlerin, die das Projekt treibt. »Naja«, so mögen sich die besagten Unbedarften denken, »der internationale Terrorismus verlangt seine Opfer, da können wir uns den Luxus von Privatsphäre nicht länger leisten.« Dabei sagt uns die Kanzlerin seit Jahren, um was (MP3) es wirklich geht (Video) - Ordnungswidrigkeiten: Die Videoüberwachung, die Onlinedurchsuchung »und vieles andere mehr - wir werden nicht zulassen, dass technisch manches möglich ist, aber der Staat es nicht nutzt«, so Angela Merkel. Und noch ein O-Ton: »Das sind aber Dinge, über die darf man nicht diskutieren, die muss man einfach machen!« Sollte sie diese Absicht so auch heute, am Tag des neuen Grundrechts, noch verfolgen, wäre das wohl ein Verfassungsbruch. Wir könnten aber natürlich auch die Verfassung der neuen »Gefährdungslage« anpassen...

Nach wie vor sind viele technische, juristische und politische Fragen zum staatlichen Eindringen in die Hardware Dritter unbeantwortet. Einige davon hat das Gericht heute wiederholt: Wie reagiert beispielsweise ein Arbeitgeber, wenn er erfährt, dass der Rechner seines Mitarbeiters gefilzt wurde? Wer haftet dafür, wenn Daten beim Filzen verloren gehen oder wenn das geschlagene Loch nicht nur von »Sicherheits«-Organen genutzt wird, sondern womöglich auch von der Konkurrenz? Wir haben jedenfalls beste Chancen, das gleiche Stück mit wechselndem Beklagten - dann mit Wolfgang Schäuble in der Hauptrolle - demnächst in diesem Theater bewundern zu dürfen. The show must go on!

Aber selbst wenn Schäuble genauso auf dem Bauch landen sollte wie sein Kollege in NRW, ist damit das Kardinalproblem noch nicht gelöst: Frau Merkel will den Überwachungsstaat. Zutaten sind - neben Videoüberwachung und Onlinedurchsuchung - auch die Vorratsdatenspeicherung, die elektronische Gesundheitskarte, die LKW- (und künftige PKW-) Maut, die Genomdatenbank, das zentrale Melderegister, die zentrale Steuernummer, die Buchungsdaten von Flügen, der biometrische Personalausweis und die Bankdaten.

Vermutlich wird es über kurz oder lang wohl kaum bei »nur« 5-10 Online-Durchsuchungen jährlich bleiben. Zugegebenermaßen erlebe ich es ja in meinem privaten Umfeld selbst, wie obrigkeitshörig viele Menschen sind: »Ich habe nichts zu verbergen« - womöglich haben die Juden zu Beginn des letzten Jahrhunderts Ähnliches gedacht!

Trotzdem wird sich die Anzahl Freier Software-Anwender spürbar erhöhen: Freie Software wird zunehmend bedienerfreundlich und permanent durch prominente (wenn auch unfreiwillige) »Marketingprogramme« ihrer proprietären Wettbewerber unterstützt. Und schließlich steht sie im Geruch, sich besonders sicher einrichten zu lassen. Das kommt daher, daß sich die Entwickler Freier Software völlig zwanglos weltweit untereinander austauschen, während ihre proprietäre Konkurrenz naturgemäß auf ihr geistiges Eigentum schaut und das Schmoren im eigenen Saft vorzieht, anstatt möglichst effizient von anderen zu lernen. Ein Vorteil, den auch Bundesaußenminister Steinmeier offenbar zu schätzen weiß.

Was also, wenn Bundesinnenminister Schäuble eines schönen Tages erfolglos in einen GNU/Linux-Rechner eindringen will? Oder er findet gar eine Mail, die mit GnuPG verschlüsselt wurde? Die Wahrscheinlichkeit dazu ist wohl relativ groß: Terroristen - insbesondere islamischen Glaubens - stehen nicht im Verdacht, begeisterte Anhänger proprietärer Software zu sein. Und: Sie sind häufig technisch bewandert. Über die bisher bekannten Köder - beispielsweise ein infiziertes Anhängsel einer Mail - werden diese Leute wohl nur lachen. Erstens können Windows-Trojaner auf GNU/Linux Systemen kaum Schaden anrichten und zweitens öffnen versierte Anwender nicht gnadenlos jede Mail, die sich ihnen in ihrem Posteingang in den Weg stellt!

[satire] Sch.... ade aber auch! Dann werden eben alle Anwender Freier Software als kriminell definiert! So wie Andrej Holm - der war so kriminell und hat in seinen wissenschaftlichen Arbeiten das gleiche Vokabular benutzt wie die Militante Gruppe (MG) in den Bekennerschreiben zu ihren Anschlägen - und hat dafür einen Freiflug zur Bundesanwaltschaft nach Karlsruhe mit anschließendem kostenlosen Aufenthalt in einer freundlichen Zelle in Berlin gewonnen. Oder der Herr Lindner: Der hatte im Arzt-Wartezimmer in Burghausen - einem Nachbarort des Papst-Geburtsorts - gesagt, dass die 40 Millionen, die der Papstbesuch kostet, besser hätten verwendet werden können. Und zwei Tage vorher wurde das Geburtshaus des Papstes mit Farbe beschmiert. Insofern war natürlich das Sondereinsatzkommando mit 15 Mann, Maschinengewehren und schusssicheren Westen bei der vierköpfigen Familie mit zwei kleinen Kindern völlig gerechtfertigt.[/satire]

Aber ernsthaft: Ich glaube nicht, dass eine Merkel-Regierung sich von verhältnismäßig sicherer Freier Software aufhalten lassen wird. Im Zweifel wird dann eben vorgeschrieben, welche Software eingesetzt werden darf oder auch nicht. (Hoppla, ich hoffe, ich sporne jetzt die proprietären Softwareentwickler nicht zu einem Wettlauf um die Frage an, wer die meisten Löcher in sein Betriebssystem reinmachen kann...) Aber: wir können ja auch hier aufs Bundesverfassungsgericht hoffen! Vielleicht wollen die ja auch ein Grundrecht auf freie Wahl der Software definieren...

Der Autor ist Gründer von privatsphaere.org

Lizenz
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Copyright (C) Joachim Jakobs Erschienen auf Pro-Linux, Fassung vom 2008-02-27

Mittwoch, 27. Februar 2008

Bundesverfassungsgericht: Online-Durchsuchungen nur unter strengen Auflagen zulässig

"Das Bundesverfassungsgericht hat die Online-Durchsuchung von Computern unter strengen Auflagen erlaubt. Dem in Karlsruhe veröffentlichten Urteil zufolge dürfen Computer von Verdächtigen mit Spionageprogrammen nur dann ausgeforscht werden, wenn "überragend wichtige Rechtsgüter" wie Menschenleben oder der Bestand des Staates konkret gefährdet sind. Das dem Verfahren zugrunde liegende NRW-Gesetz zu Online-Durchsuchungen erklärte das Gericht wegen zahlreicher Fehler für nichtig."
Quelle: http://www.tagesschau.de/inland/onlinedurchsuchung32.html

Der Schutz der Privatsphäre schein vorerst gesichert zu sein. Jetzt ist die Frage, wie zukünftige Gesetzte formuliert werden. Ich glaube, dass die Privatsphäre in Zukunft nicht mehr, wie heute geschützt sein wird. Man denke doch nur an die Hausdurchsuchungen, die teilweise aus nichtigen Gründen von Richtern genehmigt werden (siehe auch den Artikel "Razzia im rechtsfreien Raum" von SPIEGEL online).

Links

Chaos Computer Club e.V. "Mit ihrer Entscheidung stellten die Karlsruher Richter klar, dass die Gesellschaft ein berechtigtes Interesse an der Vertraulichkeit und der Integrität der informationstechnischen Systeme hat, auf die sie zunehmend angewiesen ist." "Bundesverfassungsgericht schafft neues Grundrecht auf digitale Intimsphäre"

Pressemitteilung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit vom 27.2.2008: Neues Grundrecht stärkt den Datenschutz

Neues "Computer-Grundrecht" schützt auch Laptops und Daten im Arbeitsspeicher (Heise News 27.02.2008)

Das IT-Grundrecht im Detail (Telemedicus 27.Februar 2008)

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im vollem Wortlaut.

Dienstag, 26. Februar 2008

Eine Kennziffer für jedermann - Einführung eines Bundesmelderegister

Die Bundesregierung will ein Bundesmelderegister mit einer einer Kennziffer für jedermann einführen. (siehe Referentenentwurf). Das würde bedeuten, dass in einer zentralen Datei, die von vielen staatlichen Stellen abgerufen werden kann, viele personenbezogenen Daten erfasst sind. Somit kann ein Profil jeden Bürgers erstellt werde. Das Bundesverfassungsgericht hat 1969 im Mikrozensusurteil entschieden, dass es hierzulande kein allgemeines Personenkennzeichen für die gesamte Bevölkerung geben darf.

siehe auch Kennziffer für jeden (ZEIT online 21.2.2008)

siehe auch Das Super-Melderegister (Deutschlandfunk 09.02.2008)
Neue Steuernummer wird Schlüssel zur Totalerfassung der Bundesbürger


Die Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bzw. in das Privatleben der Bürger werden immer mehr. Wer sich ständig überwacht und beobachtet fühlt, kann sich nicht mehr unbefangen und mutig für seine Rechte und eine gerechte Gesellschaft einsetzen.

SPD will heimliche Online-Durchsuchungen im BKA-Gesetz verankern - heise online news

"Am morgigen Mittwoch gibt das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung darüber bekannt, ob heimliche Online-Duchsuchungen privater PCs durch Strafverfolger und Ermittlungsbehörden verfassungsgemäß sind. Schon im Vorfeld aber hieß es von der SPD, dass man die heimliche Online-Durchsuchung im geplanten neuen BKA-Gesetz festschreiben will, wenn das Bundesverfassungsgericht die Maßnahme grundsätzlich erlaubt. "

Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/104049


Da stellt sich mir die Frage, wie folgende Vorschriften der Strafprozeßordnung (StPO) eingehalten werden:

§ 106 StPO
(1) Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume oder Gegenstände darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar zuzuziehen.
(2) Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit zugezogenen Person ist in den Fällen des § 103 Abs. 1 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekanntzumachen. Diese Vorschrift gilt nicht für die Inhaber der in § 104 Abs. 2 bezeichneten Räume.

§ 104 StPO
(1) Zur Nachtzeit dürfen die Wohnung, die Geschäftsräume und das befriedete Besitztum nur bei Verfolgung auf frischer Tat oder bei Gefahr im Verzug oder dann durchsucht werden, wenn es sich um die Wiederergreifung eines entwichenen Gefangenen handelt.
(2) Diese Beschränkung gilt nicht für Räume, die zur Nachtzeit jedermann zugänglich oder die der Polizei als Herbergen oder Versammlungsorte bestrafter Personen, als Niederlagen von Sachen, die mittels Straftaten erlangt sind, oder als Schlupfwinkel des Glücksspiels, des unerlaubten Betäubungsmittel- und Waffenhandels oder der Prostitution bekannt sind.
(3) Die Nachtzeit umfaßt in dem Zeitraum vom ersten April bis dreißigsten September die Stunden von neun Uhr abends bis vier Uhr morgens und in dem Zeitraum vom ersten Oktober bis einunddreißigsten März die Stunden von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens.

§ 107 StPO
Dem von der Durchsuchung Betroffenen ist nach deren Beendigung auf Verlangen eine schriftliche Mitteilung zu machen, die den Grund der Durchsuchung (§§ 102, 103) sowie im Falle des § 102 die Straftat bezeichnen muß. Auch ist ihm auf Verlangen ein Verzeichnis der in Verwahrung oder in Beschlag genommenen Gegenstände, falls aber nichts Verdächtiges gefunden wird, eine Bescheinigung hierüber zu geben.

Die Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bzw. in das Privatleben der Bürger werden immer mehr. Wer sich ständig überwacht und beobachtet fühlt, kann sich nicht mehr unbefangen und mutig für seine Rechte und eine gerechte Gesellschaft einsetzen.

Samstag, 9. Februar 2008

TrueCrypt 5.0

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Artikel kopiert von Kai Raven:

Freitag, 8. Februar 2008

Datenschutz geht baden ; Pressemitteilung der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Datenschutz geht baden

Zur Weitergabe und Speicherung von Schiffspassagierdaten erklärt Claudia Roth,Bundesvorsitzende von Bündnis 90/ Die Grünen:
Die große Koalition setzt ihre Taktik fort, den Datenschutz so weit und von der Öffentlichkeit so unbemerkt wie möglich auszuhöhlen. Während Justizministerin Zypries noch in der vergangenen Woche gegen die Speicherung von Flugpassagierdaten wetterte und auf das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung verwies, ermöglicht Verkehrsminister Tiefensee die Weitergabe und Verwendung von stattlichen 29 Millionen Schiffspassagierdaten pro Jahr.

Wieder einmal handelt die große Koalition nach dem Motto ,Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten’ und kommt dem Überwachungsstaat und dem gläsernen Bürger einen großen Schritt näher. Bürgerrechte und Datenschutz werden weiter ausgehebelt, wenn die Bundespolizei Daten auf unbestimmte Zeit speichern und verdachtsunabhängig auswerten und nutzen kann. Die Begründung, die Daten sollen ,für eine verbesserte Nutzung vorhandener Datenbanken des Bundes’ verwendet werden, zeugt von Ignoranz und Unkenntnis über den Umgang mit sensiblen Daten.Eine solch schwerwiegende Veränderung in einem Gesetz zur Änderung seerechtlicher Bestimmungen unterzubringen und ohne Debatte durchs Parlament zu schleusen, beweist die mangelnde Ernsthaftigkeit der großen Koalition im Umgang mit dem Thema Datenschutz und ist zugleich eine Missachtung des Parlaments.

Verkehrsminister Tiefensee braucht dringend Nachhilfe in punkto Datenschutz und Bürgerrechte, denn er scheint den Unterschied zwischen sofort vernichteten und auf unbestimmte Zeit gespeicherten Daten nicht zu kennen.

Wir fordern den Bundesrat auf, dem Gesetz nicht zuzustimmen und die Errichtung weiterer Datenberge zu verhindern.“

Kontaktinformationen:(c) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BundesvorstandSigrid Wolff, Pressesprecherin, Platz vor dem neuen Tor 1, 10115 Berlin
Tel: +49 (0)30/28442-131/134, Fax: +49 (0)30/28442-234

Quelle: http://www.news-ticker.org/pm.php?news_id=4742307&aktion=nf

Montag, 4. Februar 2008

Pressemitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung: Umfrage: Vorratsdatenspeicherung verursacht weitreichende Kommunikationsstörungen

Die zum 1. Januar 2008 in Deutschland eingeführte flächendeckende Speicherung von Kommunikations- und Standortdaten behindert in weiten Bereichen der Gesellschaft die Nutzung von Telefon, Handy, E-Mail und Internet als freie Kommunikationsmittel, so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung.

Bürger, die keine E-Mails mehr versenden, Journalisten, die den Kontakt zu Informanten verlieren, Unternehmer, die Unterlagen wieder per Post verschicken müssen - die von CDU, CSU und SPD eingeführte Vorratsdatenspeicherung führt in weiten Bereichen der Gesellschaft zurück in die Zeit, als es weder Telefon noch Internet gab. Dies ist das Ergebnis einer nicht repräsentativen Umfrage des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung unter 8.000 Personen Ende Januar 2008, die nach beobachteten Auswirkungen des Gesetzes fragte.

Ein Journalist berichtete etwa, ein Informant aus einer Sicherheitsbehörde habe ihm bereits in der Neujahrsnacht mitgeteilt, er möchte "ab heute nie mehr unter dieser Nummer" angerufen werden. Auch SMS mit "Sitzungsergebnissen" erhalte der Journalist seit Jahresbeginn nicht mehr. Ein Steuerberater teilt mit, seine Mandanten würden seit Jahresanfang telefonische Rückfragen bei ihm scheuen. Er befürchte, "dass sich die Mandanten mangels Beratung strafbar machen" könnten. Ein Unternehmer aus Süddeutschland klagt, seine Kunden würden "sicherheitsrelevante Beschreibungen" nur noch persönlich übergeben wollen, was dem Unternehmen große Schwierigkeiten bereite. Seine Firma habe dadurch vor wenigen Tagen "einen Großkunden verloren", was den Verlust von 2-3 Arbeitsplätzen nach sich ziehen werde. Drogenberater und Psychotherapeuten beklagen, dass Anrufe ausbleiben oder inhaltslos verlaufen. Ein Rettungsassistent berichtet gar von einem Patienten, der nicht wollte, dass sein Zustand telefonisch an die Klinik durchgegeben wird, in die er eingeliefert werden sollte.

"Politisch aktive Menschen, Firmenkunden und Hilfsbedürftige, die der Telekommunikation nicht mehr vertrauen - solche erschreckenden Zustände würde man in einer Diktatur erwarten, aber nicht in einem freiheitlich verfassten Staat", kommentiert Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung die Ergebnisse der Umfrage. "Wir haben seit langem vor den Folgen einer Protokollierung des Telekommunikations- und Bewegungsverhaltens der gesamten Bevölkerung gewarnt; ihre nun bekannt gewordenen tatsächlichen Auswirkungen übertreffen meine schlimmsten Befürchtungen noch."

"Aus diesen Berichten heraus wird deutlich, dass die neuere Überwachungsgesetzgebung von den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur als große Einschränkung ihrer Freiheit, sondern auch ihrer persönlichen Sicherheit empfunden wird," ergänzt Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis. "Damit erreicht der Gesetzgeber das Gegenteil dessen, was er als Argument für die Beschneidung der Bürgerrechte anführt. Es ist höchste Zeit für eine Kurskorrektur."

Insgesamt ist eine dreistellige Zahl von Antworten eingegangen. Berichte über nachteilige Auswirkungen kamen neben Privatpersonen und den bereits angesprochenen Berufsgruppen auch von Anwälten, Forschern, betrieblichen Vertrauenspersonen, Ärzten, Seelsorgern und Geistlichen. Etliche Schilderungen Betroffener sind für einen Schriftsatz an das Bundesverfassungsgericht zusammengestellt worden, um den dort vorliegenden Eilantrag auf Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung weiter zu untermauern. Der Schriftsatz steht im Internet in einer anonymisierten Version zum Download bereit. [1]

[1] Anonymisierter Schriftsatz mit ausgewählten Einzelberichten von Betroffenen: http://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/schriftsatz_2008-01-31_anon.pdf

Quelle:
Pressemitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung vom 4.02.2008: http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/193/79/