Montag, 14. Dezember 2009

netzpolitik.org: Vorratsdatenspeicherung: Anbieter speichern illegal weit mehr als erlaubt

Aus einem heute vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung veröffentlichten Schreiben des Bundesbeauftragten für Datenschutz an das Bundesverfassungsgericht, geht hervor, dass Telekommunikationsanbieter bei der Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung ohne Rechtsgrundlage deutlich mehr Daten erheben und speichern als erlaubt (Schreiben des Bundesdatenschutzbeauftragten, PDF) .

Im Rahmen eines Evaluierungsprojekts der Artikel 29-Gruppe der EU-Mitgliedsstaaten zur Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wurde geprüft, inwieweit Datenschutzerfordernisse in Bezug auf die Art der gespeicherten Daten, Sicherheitsmaßnahmen, Prävention von Missbrauch sowie die Verpflichtungen aus Speicherfristen durch die Unternehmen erfüllt werden. Dazu beantworteten sechs repräsentative, deutsche Unternehmen die Fragebögen der Datenschützer und wurden auch vor Ort geprüft.

Das Ergebnis ist erschreckend, denn die betroffenen Unternehmen speichern deutlich mehr Daten als vom Gesetzgeber überhaupt gefordert: Illegal erfasst würden Informationen über die Nutzung von Internet-Zugängen, Handys, Internet-Hotspots, E-Mail und Telefonanschlüssen. Von Nutzern mobiler Internetzugänge würde gar der jeweilige Standort “lückenlos erfasst”, so dass bei einem Anbieter das Bewegungsverhalten der Nutzer in den vergangenen sechs Monaten auf 15 Minuten genau “präzise nachzuverfolgen” sei.

Auch die technisch-organisatorischen Regeln zur Aufbewahrung und zum Zugriff auf die Daten lesen sich sehr beunruhigend: Viele Anbieter bewahrten die sensiblen Daten über Kontakte, Bewegungen und Internetnutzung weit länger als die vorgeschriebenen sechs Monate auf, teilweise bis zu einem Jahr. Bei einem Unternehmen sei sogar beabsichtigt gewesen, Auskunftsschreiben als “Handelsbriefe” bis zu 10 Jahre zu archivieren. Zugriffe auf die hochsensiblen Kommunikationsdaten würden oftmals nicht protokolliert und seien dadurch nicht nachvollziehbar. Bei einem Unternehmen waren Mitarbeiter mit Zugriff auf die Vorratsdaten gar in einem Großraumbüro mit anderen Kollegen untergebracht. Die richterlichen Zugriffserlaubnisse seien “recht häufig” mangelhaft und benannten keine der gesetzlichen Katalogstraftaten.

Am morgigen Dienstag verhandelt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe um 10:00 Uhr die Verfassungsbeschwerden von über 34.000 Bürgern. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung informiert dazu vor Ort in Karlsruhe und im Internet.

Dieser Artikel wurde von florian auf netzpolitik.org unter der Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung 3.0 Deutschland Lizenz veröffentlicht.
.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen